Der Deutsche Autor und Journalist Henryk M. Broder im ÖSTERREICH-Interview: Er polarisiert durch seine harte Haltung zum Islam.
Der deutsche Autor Henryk M. Broder zu Ahmadinejad, Ursachen des Terrors, der Schuld des Westens, warum er ein Moscheen-Bauverbot für rechten Populismus hält, einem Verhüllungsverbot aber viel abgewinnen kann.
ÖSTERREICH: Wie hat Ihnen der Auftritt des iranischen Präsidenten Mahmud
Ahmadinejad an der US-Universität Columbia gefallen?
Henryk
Broder: Ich bin wahnsinnig beeindruckt, mit welcher Klarheit der Präsident
der Columbia Ahmadinejad die Ohren lang gezogen, und ihn als Diktator
vorgestellt hat. Er hat ihn dermaßen abgewatscht, ein Vergnügen. Trotzdem
ist es falsch, ihn da auftreten zu lassen. Dieser Mann gewinnt immer, weil
er sich mit seiner autistischen Haltung über alles andere hinwegsetzt.
Der Dekan der Columbia meinte, selbst Adolf Hitler hätte am akademischen
Diskurs teilnehmen dürfen…
Das ist unglaublich
blauäugig. Es zeigt, dass diese Leute der Situation nicht gewachsen sind.
Die machen das aus einem tiefen Begriff von Demokratie und Kontroverse, den
der andere aber nicht hat. Er kommt hin und sagt, es gibt im Iran keine
Homosexuellen, und Frauen genießen die größte Freiheit. Würden sie mit
jemandem eine Debatte über Physik und Naturwissenschaft beginnen, der
behauptet, die Erde ist eine Scheibe? Diesen Leuten muss man, genau wie den
Nazis, den öffentlichen Raum verweigern.
Mach einem Bekloppten klar, dass er bekloppt ist, zitieren Sie Dieter
Bohlen auf Ihrer Homepage…
Es gibt ja Irre wie Ahmadinejad,
die sich selbst zum Vertreter der Vernunft ernennen. Es ist unmöglich den
Leuten zu sagen, dass sie irre sind, weil sich in der westlichen Kultur das
Prinzip der Äquidistanz durchgesetzt hat. Es gibt einfach nichts mehr was
gut oder falsch ist. Das Böse scheint aus der Welt verschwunden. Deswegen
ist Bohlen für mich der größte Zeitgeistphilosoph. Er hat unser Problem in
einem Satz zusammen gefasst, ja wirklich!
Ein anderes Beispiel:
Wenn Sie einen Despoten, der sechs Leute acht Jahre lang foltern lässt für
die anschließende Entlassung loben und mit einem Atomkraftwerk belohnen,
können sie nicht erwarten, dass bei individuellen Terroristen mehr Vernunft
waltet.
Wären Sie weitergedacht so weit Moralist zu sagen, keine Geschäfte mehr
mit Schurken?
Ja, aber das hat mit Moralismus nichts zu tun, es
ist Eigeninteresse. Weil es ja irgendwann zurückschlagen wird. Solche
Geschäfte sind hochriskant, und am Ende wird Lenin recht behalten. In einem
klugen Moment hat er gesagt, dass die Kapitalisten ihren Gegnern noch den
Strick verkaufen werden, an dem sie selber baumeln werden.
Ein Effekt, den die USA seit Jahrzehnten im Nahen Osten erleben? Osama
bin Laden war einst guter Kunde.
Ja. Wobei die Amerikaner
permanent in einer weltpolitischen No-win-Situation sind. Greifen sie ein,
sind sie die Imperialisten. Halten sie sich raus, werden sie dafür
geschlagen. Sie können das am Nahostkonflikt verfolgen. Das
Antiamerikanische Ressentiment ist so gewaltig, dass es den Amis überhaupt
nicht die Möglichkeit gibt etwas richtig zu machen.
Jedenfalls wirkt der Irak, sechs Jahre nach 9/11, wie ein Wespennest, in
das man hineingestochen hat. Hat die „Achse des Guten“ versagt?
Ja,
das glaube ich auch. Obwohl die Absichten die besten gewesen sein mögen,
sind die Ergebnisse ziemlich desaströs. Der amerikanische Einsatz im Irak
dauert länger als der amerikanische Einsatz in Europa gedauert hat, um die
Nazis zu besiegen. Da verschwinden für mich alle Relationen.
Ist Islam gleich Gewalt?
Die Moslems sagen immer, nicht alle
Moslems sind Terroristen, das ist vollkommen richtig, es ist ein
verschwindender Teil. Aber so gut wie alle Terroristen der letzten Zeit
waren Moslems. Also es gibt eine kulturelle Affinität des Islam zur Gewalt.
Und wenn sich die Leute deswegen Sorgen machen, finde ich das vollkommen
verständlich.
Geht der Westen mit der terroristischen Bedrohung richtig um?
Zu
RAF-Zeiten haben wir uns schon ständig gefragt, was treibt die Leute dazu.
Sind die als Kinder zu heiß gebadet worden? Hat man ihnen ihre
Modelleisenbahn weggenommen? Ich stoße mich an dieser unglaublichen
Naivität, die etwas zu tun hat mit der Sozialpsychologisierung der
europäischen Politik. Eigentlich nur ein paar Theologen geben zu, dass es
das grundlos Böse gibt. Sie können vielleicht bei jemandem der zugesehen
hat, wie seine Eltern ermordet werden, eine Art Rachemotiv ausmachen. Bei
Osama Bin Laden werden sie vergeblich suchen. Und wir haben denen nichts
angetan. Die Katastrophe in Ländern, aus denen Terroristen kommen, fing mit
dem Ende der Kolonialzeit an.
Aber es gibt doch globale Ursachen sozialer und wirtschaftlicher Natur,
die mit verantwortlich für die heutigen Konflikte sind…
Die
können natürlich hineinspielen, aber hinreichend sind diese Gründe nicht.
Wenn das der Fall wäre, müssten 12 Millionen Deutsche, die aus dem Osten
vertreiben wurden, alle Terroristen geworden sein. Und Millionen von
Vietnamesen, die in der Tat von den USA sehr schlecht behandelt wurden,
müssten alles daran setzen, als lebende Bomben durch New York zu laufen. Das
ist nicht der Fall. Also hat es offenbar mit einer bestimmten Art von Kultur
zu tun, die sich vom Fortschritt abgehängt hat.
Oder vom Fortschritt abgehängt wurde…
Die Leute
die sagen, sie wurden vom Westen abgehängt sind dieselben Leute, die beim
Versagen des Westens doch auf soziale und kulturelle Ursachen achten. Nur
bei den Moslems und Arabern gelten keine soziokulturellen Ursachen, sondern
nur noch ökonomische, für die der Westen verantwortlich ist. Das sind
Chimären, mit denen wir versuchen uns selbst zu beruhigen.
Wie passt Ihre These, nicht einzuknicken vor dem Islam, zu Kopftuch-
bzw. Moscheebauverboten?
Die Forderung nach einem
Moscheebauverbot ist rechtsradikaler Populismus. Man kann nicht Leute
herholen, und ihnen dann die Grundrechte Ihrer Religionsausübung verweigern.
Ob diese Minarette 5 oder 30 Meter hoch sind, ist eine andere Frage.
Unmöglich finde ich, dass Leute, die sich hier in Städten bewegen, ihre
Gesichter verhüllen. Ein Burkaverbot wäre vollkommen richtig. Grundlage der
Kommunikation ist, dass man dem Anderen ins Gesicht sehen kann. Was auch
nicht geht ist, dass zum Beispiel in Pakistan keine Kirchen gebaut werden
können, aber bei uns Moscheen.
Weil?
Weil man dann schon nachgegeben hat, und diesen
asymmetrischen Konflikt noch asymmetrischer gestaltet. Weil man Leuten, die
in ihrer Kultur extrem intolerant sind, tolerant entgegenkommt. Und damit
hat man den Konflikt eigentlich bereits verloren. Man kann nicht einseitig
eine Leistung erbringen und von der Gegenseite nicht die gleiche Leistung
fordern.
Die Tatsache, dass es in Österreich mehr Muslime und immer weniger
Christen gibt, muss aber niemanden beunruhigen, oder?
Wenn die
Christen weniger werden, ist das ein Problem der Christen. Zweitens können
sie nicht als vierköpfige christliche Familie Urlaub in Antalya machen, sich
von einem muslimischen Kellner und einem muslimischen Zimmermädchen bedienen
lassen, diesen Leuten aber die Möglichkeit verweigern, zu normalen Löhnen in
Österreich zu arbeiten. Wenn wir rausgehen und Vorteile wahrnehmen, können
wir nicht die Gegenströmung verhindern. Wir zahlen einfach den Preis dafür,
dass wir lange Vergünstigungen abkassiert haben. Was für Ressentiments
Haider und seine Jungs haben, ist mir vollkommen egal.