Stichwahl

Lula verpasst knapp Wiederwahl

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Amtsinhaber Luiz Inacio Lula da Silva hat in Brasilien überraschend die Wiederwahl zum Staatspräsidenten im ersten Urnengang verpasst.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio "Lula" da Silva muss sich am 29. Oktober in einer Stichwahl seinem stärksten Herausforderer Geraldo Alckmin stellen. Bei der ersten Runde der Präsidentenwahl am 1. Oktober habe der Amtsinhaber knapp die absolute Mehrheit der Stimmen verfehlt, teilten die Wahlbehörden mit. Mehr als 50 Prozent der Stimmen wären notwendig gewesen, um die Wahl im ersten Anlauf für sich zu entscheiden.

Mehrheit nur knapp
Lula kam nach Auszählung von 98 Prozent der Stimmen auf 48,8 Prozent, auf den Mitte-Rechts-Politiker Alckmin von der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei entfielen 41,4 Prozent. Die linksgerichtete Senatorin Heloisa Helena erreichte 6,9 Prozent, Christovam Buarque (Demokratische Arbeits-Partei, PDT) 2,7 Prozent.

Der Amtsinhaber von der Arbeiterpartei (PT) verpasste die absolute Mehrheit nur knapp, erklärte jedoch sein Einverständnis für eine Stichwahl. Lula da Silva werde zur zweiten Runde antreten, erklärte der zuständige Minister Tarso Genro dem Fernsehsender TV Globo. Auch Alckmin wollte zur Stichwahl antreten. "Ich rechne mir große Chancen für einen Sieg aus" , erklärte er. Brasilien wolle eine "ehrlichere und effizientere" Regierung.

Verwicklung in Schmutzkamapgne?
Bis vor wenigen Wochen war davon ausgegangenen worden, dass Lula die Wiederwahl auf Anhieb schaffen könnte. Im Endspurt des Wahlkampfs schadete dem populären linken Politiker aber insbesondere eine angebliche Verwicklung in eine Schmutzkampagne gegen seinen Rivalen: Wahlkampfhelfer des Präsidenten sollen versucht haben, ein belastendes Dossier zu kaufen, um Alckmin mit Korruption in Verbindung zu bringen. Zudem flogen während Lulas Amtszeit Skandale in seiner Arbeiterpartei PT auf, wie etwa um organisierten Stimmenkauf bei Abstimmungen.

Wahl der Abgeordneten
Am Sonntag wurden neben dem Staatschef auch alle 513 Bundesabgeordneten, die insgesamt 1.059 Landesabgeordneten, ein Drittel der 81 Senatsmitglieder sowie die Gouverneure in allen 27 Bundesstaaten neu gewählt. Die Enthaltung lag trotz Wahlpflicht bei 17 Prozent.

Verluste in wichtigen Bundesstaaten
Schlappen erlitt die Regierungskoalition bei der Gouverneurswahl in zwei der drei reichsten und politisch sehr wichtigen Bundesstaaten Brasiliens. Sowohl in Sao Paulo als auch in Minas Gerais setzte sich die oppositionelle PSDB mit ihren jeweiligen Kandidaten Jose Serra und Aecio Neves durch. In Rio de Janeiro, den dritten der reichsten Bundesstaaten, gibt es eine Stichwahl.

Viele Korruptionsaffären
Die rund 126 Millionen stimmberechtigten Brasilianer wählten unter dem Eindruck zahlreicher Korruptionsaffären, die vor allem die Regierung erschütterten, und des schlimmsten Flugzeugunglücks der Landesgeschichte, das am Freitag 155 Menschenleben forderte.

Die Bürgerbewegung "Lachen, um nicht zu weinen" protestierte auf einfallsreiche Art gegen die vielen Affären in der Politik. Hunderte Menschen gingen in verschiedenen Teilen des Landes ihrer Wahlpflicht mit roten Clownnasen nach. Rund 550 Menschen wurden wegen illegaler Wählerbeeinflussung oder Stimmenkaufs festgenommen, darunter auch ein Sohn des 1992 wegen Korruption als Staatschef abgesetzten Fernando Collor, der erfolgreich für einen Sitz im Bundesparlament kandidierte. Der Urnengang verlief nach Medienberichten ohne weitere Zwischenfälle.

TV-Debatte verweigert
Lula war zuletzt auch heftig kritisiert worden, weil er der großen Fernsehdebatte mit den wichtigsten Präsidentschaftsbewerbern ferngeblieben war. Solch ein Kandidat verdiene es nicht, Stimmen zu bekommen, sagte der Präsident der Bischofskonferenz, Kardinal Geraldo Majella Agnelo.

Ökonomen: Bilanz für überwiegend positiv
Der frühere Metallgewerkschafter und Streikführer Lula konzentrierte sich im Wahlkampf wie schon vor vier Jahren auf die Millionen Armen im größten Land Lateinamerikas. Auch wenn der 60-Jährige viele seiner Versprechen nicht einlöste, halten Ökonomen seine bisherige Bilanz für überwiegend positiv. Der Präsident hielt Brasilien strikt auf Stabilitätskurs und übertraf damit noch die Empfehlungen des Internationale Währungsfonds (IWF). Die Banken erzielten unter Lulas Regierung Rekordgewinne, die Börsenkurse in Sao Paulo vervierfachten sich, und die Landeswährung Real ist gegenüber dem Dollar heute fast doppelt so viel wert wie während der Finanzkrise 2002.

Lula führte Umfragen klar an
Lula lag in den letzten Umfragen in der Wählergunst mit knapp 50 Prozent deutlich in Führung. Lulas Rivale, Geraldo Alckmin von der Partei der Sozialdemokratie Brasiliens (PSDB), folgte mit rund 32 Prozent vor den früheren PT-Mitgliedern Heloisa Helena (Partei für Sozialismus und Freiheit, PSOL) mit 10 und Christóvam Buarque (Demokratische Arbeits-Partei, PDT) mit 2 Prozent.

Kritik kurz vor der Wahl
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Brasilien vom 1. Oktober hat der Befreiungstheologe Leonardo Boff die Politik von Staatspräsident Luiz Inacio "Lula" da Silva scharf kritisiert. "Lula" habe die Chance zu großen strukturellen Reformen vertan, die die Nation vor dem Desaster retten könnten, sagte Boff laut Kathpress in einem Interview.

Der Theologe, der nach Da Silvas Amtsantritt Ende 2002 zunächst als Präsidentenberater fungierte, beklagte, die großen Institutionen der Weltwirtschaft und die wichtigsten Staatschefs der Welt seien sehr zufrieden mit "Lula", weil er ein "Element des Systems" sei. Bei den brasilianischen Sozialbewegungen treffe man allerdings auf Enttäuschung und sogar Wut, weil sich der frühere Gewerkschafter von der Basis getrennt habe.

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