Der nächste Coup steht offenbar bevor: Das Versteck von Ex-General Mladic ist dem Geheimdienst bekannt. Serbien dementiert Fahndungsberichte.
Nach der Festnahme des bosnisch-serbischen Ex-Präsidenten Radovan Karadzic hat Belgrad laut Medien nun auch die Fahndung nach dessen früheren Militärchef Ratko Mladic intensiviert. Wie die Tageszeitung "Blic" (Donnerstag) berichtete, soll der gesuchte mutmaßliche Kriegsverbrecher angeblich noch bis Monatsende an das UNO-Tribunal in Den Haag überstellt werden. Die serbische Regierung dementierte eine Großfahndung nach Mladic und dem ebenfalls flüchtigen Haager Angeklagten Goran Hadzic.
Alltägliche Aktion?
Es handle sich nur um alltägliche
Aktionen der Fahnder, erklärte der serbische Arbeitsminister Rasim Ljajic,
der auch für die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im
ehemaligen Jugoslawien (ICTY) zuständig ist. Der Sonderstaatsanwalt für
Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, bezeichnete die Festnahme von Mladic
und Hadzic als oberste Priorität. Wie dieses Ziel erreicht werde, "werde ich
bestimmt nicht im Voraus ankündigen", sagte Vukcevic.
Geheimdienst soll Versteck kennen
Der zivile und der
militärische Geheimdienst (BIA und VBA) wüssten sicher, wo sich Mladic
versteckt halte, sagte der frühere General Ninoslav Krstic der Zeitung
"Press" (Donnerstag): "Ich glaube, dass sie ihn bald verhaften." Die
Aufforderung von zwei serbischen Ministern am Vortag, Mladic solle sich
freiwillig stellen, sei vermutlich als Vorbereitung der Öffentlichkeit auf
einen solchen Schritt zu verstehen, sagte der frühere General weiter.
Demgegenüber behauptete der Mladic-Neffe Goran, sein Onkel werde sich
niemals stellen. "Ich weiß, wie er denkt und bin sicher, dass er sich
umbringen wird, bevor er verhaftet wird", sagte er der Zeitung "Press".
Mladic hatte trotz Haager Anklage bis Anfang 2002 in Belgrad gelebt. Später versteckte er sich sowohl in Westserbien als auch in der bosnischen Republika Srpska. Laut jüngsten Erkenntnissen der serbischen Behörden hielt sich der Haager Angeklagte mindestens bis Anfang 2006 erneut in der serbischen Hauptstadt auf, wo er auch weiterhin vermutet wird. "Ebenso wie Karadzic vor der Festnahme führt Mladic ein normales Leben, tritt aber nicht so offen in der Öffentlichkeit auf. Er verlässt seine Wohnung nur selten in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden", zitierte "Blic" eine gut informierte Quelle.
Man geht dem Blatt zufolge davon aus, dass die Festnahme Mladics schwieriger als jene Karadzics sein dürfte, weil dieser über enge Kontakte zu früheren Kollegen bei den serbischen Streitkräften verfüge. Außerdem wird vermutet, dass sich der 66-jährige General in einem gesundheitlich schlechteren Zustand als Karadzic befindet. Er wurde wegen Nierensteinen behandelt. Und es heißt, seit dem Selbstmord seiner Tochter Ana im Frühjahr 1994 leide er an Depressionen.
Karadzic wehrt sich
Karadzic selbst hat sich unterdessen erneut
gegen das ihm bevorstehende Verfahren vor dem Haager Tribunal gewehrt. "Ich
fechte die Rechtmäßigkeit des Verfahrens in seiner Gesamtheit an", heißt es
in einem Dokument, das der UNO-Gerichtshof am Mittwoch veröffentlicht hatte.
Karadzic forderte darin, seine Darstellung zu überprüfen, dass die USA ihm
vor mehr als zehn Jahren Schutz vor Strafverfolgung zugesagt hätten. Demnach
hat der US-Balkan-Beauftragte Richard Holbrooke ihm 1996 versprochen, dass
er nicht vor das Tribunal gestellt werde, wenn er sich völlig aus der
Öffentlichkeit zurückziehe. Holbrooke hat einen "Deal" mit Karadzic stets
bestritten.
Karadzic beantragte jetzt, Holbrooke, die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright sowie auch den ersten UNO-Chefankläger Richard Goldstone als Zeugen vorzuladen. Goldstone wies am Donnerstag die behauptete Straffreiheitszusage als "unbegründet und unwahr" zurück. Selbst wenn es eine Einigung zwischen Karadzic und Holbrooke gegeben hätte, würde dies nicht ausreichen, um die Gesetzmäßigkeit des Gerichtsverfahrens vor dem UNO-Tribunal infrage zu stellen, so der ehemalige Chefankläger.
Anklage wegen Völkermordes
Karadzic wurde am 21. Juli von
serbischen Sicherheitskräften festgenommen und vor einer Woche an das
UNO-Tribunal in Den Haag überstellt. 13 Jahre nach dem Ende des
Bosnien-Kriegs muss er sich unter anderem wegen Völkermordes, Verschwörung
zum Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.
Unterdessen soll der angebliche Leibwächter Karadzics, der sich am 24. Juli der Salzburger Exekutive gestellt hat und seither in Schubhaft sitzt, nach Ungarn abgeschoben werden. "Wir haben noch nicht verifizieren können, dass es sich bei dem Mann tatsächlich um den ehemaligen Leibwächter von Karadzic handelt", erklärte am Donnerstag Burghard Vouk von der Sicherheitsdirektion Salzburg. Der 43-jährige Serbe hatte in Ungarn einen Asylantrag gestellt. In Österreich besteht gegen den Mann wegen mehrerer mutmaßlicher Delikte ein Aufenthaltsverbot.