Die schwersten Unruhen seit Jahrzehnten erschütterten die griechische Hauptstadt Athen. Nun scheint eine Art von Weihnachtsfrieden eingekehrt zu sein.
Die Lage in Griechenland hat sich beruhigt, vorerst zumindest. In der Nacht zum Montag gab es landesweit eine Entschärfung der Unruhen. Aus keiner Region wurden Zwischenfälle gemeldet. Auch im Athener Stadtviertel Exachria, das als Hochburg der Autonomen gilt, blieb es ruhig. Schülerverbände planten für den frühen Nachmittag eine Demonstration vor der Polizeidirektion von Athen.
Nach dem Tod eines 15-jährigen Schülers am Samstag vor einer Woche waren in fast allen Städten des Landes Unruhen ausgebrochen. Der Jugendliche war von einer Kugel aus der Waffe eines Polizisten tödlich getroffen worden. Der mutmaßliche Täter, ein 37 Jahre alter Polizist, und einer seiner Kollegen befinden sich nun in Untersuchungshaft.
Turbulentes Wochenende
Das Wochenende war jedoch alles andere als
ruhig. Kurz nach einem friedlichen Gedenkmarsch für den getöteten Schüler
griffen kleinere Gruppen von Gewalttätern bis zum frühen Sonntagmorgen
Polizisten und Gebäude mit Brandsätzen und Steinen an. Damit lieferten sich
die zumeist jugendlichen Demonstranten seit knapp zehn Tagen
Auseinandersetzungen mit der Polizei. Mehr als 400 Menschen wurden
festgenommen. Die Regierung geht von einem Schaden von 200 Millionen Euro
aus.
Öffentliche Gebäude angegriffen
Nach Polizeiangaben war
es in mehreren Stadtteilen Athens wieder zu Angriffen auf Banken,
Ministerien, Geschäfte und Polizisten gekommen. Am schlimmsten betroffen war
der Bezirk Exarchia, wo der Schüler vor knapp zehn Tagen getötet worden war
und wo Autonome aktiv sind. Hier setzten die Beamten Tränengas gegen die
Demonstranten ein. Sie gingen gegen 01.00 Uhr früh gegen Teilnehmer einer
Mahnwache auf dem zentralen Syntagma-Platz vor, wo sich auch das
Parlamentsgebäude befindet. Einige Jugendliche besetzten daraufhin die nahe
gelegene Technische Universität und bewarfen die Polizei mit Steinen.
Kleine Gruppen von Gewalttätern griffen nach Angaben der Behörden eine Polizeiwache im Stadtzentrum sowie mindestens drei Banken und mehrere Geschäfte mit Brandsätzen an. Aus Angst vor Angriffen hatten viele Restaurantbesitzer ihre Geschäfte bereits frühzeitig verriegelt. Den Angaben nach waren die Ausschreitungen aber nicht so heftig wie in den vergangenen Tagen. Im größten Teil der Stadt und im Rest des Landes blieb es weitgehend ruhig.
Demonstranten besetzten Radiosender
Gerüchte, italienische
Anarchisten und Autonome seien nach Athen gekommen, wurden zunächst nicht
bestätigt. Sonntag Mittag besetzten rund 30 Demonstranten der Organisation "Netz
für Menschenrechte" den Radiosender der Stadt Athen "Athina
984". "Wir erleben etwas Großes. Weltweit solidarisieren sich
tausende Menschen mit uns", sagte ein Sprecher. Die Besetzer sendeten
die Internationale, das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung, und
verließen dann den Sender wieder.
Aus Kreisen der Aufstandsbewegung wurde angekündigt, dass der Druck der Straße andauern werde, bis die Forderungen nach Konsequenzen in der Regierung und einer neuen Wirtschaftspolitik erfüllt seien. Nach einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage der Zeitung "Kathimerini"sehen 60 Prozent der Griechen in den Unruhen nicht nur die Reaktion auf den Tod des 15-jährigen Alexandros Grigoropoulos, sondern einen sozialen Aufstand. Für 64 Prozent der Befragten war die Polizei nicht angemessen vorbereitet. Nach weiteren, von den Zeitungen "Proto Thema" bzw. Real News" veröffentlichten Umfragen liegt die Nea Dimokratia jetzt zwischen 4,8 und 5,6 Prozentpunkten hinter der oppositionellen Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok).
Vorgezogene Wahlen gefordert
Oppositionschef Georgios Papandreou
forderte erneut vorgezogene Wahlen. Seine Partei habe "in den
vergangenen fünf Jahren eine konstruktive Haltung eingenommen". Es
habe sich aber gezeigt, dass sich die "Probleme nicht unter den Teppich"
kehren ließen. "Es reicht! Jetzt muss das Volk entscheiden",
sagte der sozialistische Politiker im Fernsehen.
Der Polizist, durch dessen Kugel der Schüler starb, wurde mittlerweile wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt. Seit Beginn der Protestbewegung wurden mindestens 70 Menschen verletzt und mehr als 200 verhaftet. Hunderte von Geschäften wurden zerstört und teilweise geplündert.