Georgien-Streit

Russland holt Bürger heim

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Der Konflikt zwischen Moskau und Tiflis wegen Spionage-Vorwürfen gegen russische Militärangehörige gewinnt an Brisanz.

Der Konflikt über Spionage-Vorwürfe gegen in Georgien stationierte russische Militärangehörige hat sich am Freitag weiter zugespitzt. Ein Gericht in der georgischen Hauptstadt Tiflis erhob formell Anklage gegen vier seit Mittwoch festgehaltene Offiziere aus Russland und ordnete mindestens zwei Monate Haft für die Männer an. Unterdessen setzte Russland im UNO-Sicherheitsrat eine Dringlichkeitssitzung durch und begann damit, seine Bürger aus der ehemaligen Sowjetrepublik zurückzuholen. Auch der russische Botschafter wurde nach Moskau beordert. Die Entwicklung schürte besonders in Georgien Ängste vor einem Krieg.

Spionage für Geheimdienst
Die Anklage gegen die Offiziere lautet auf Spionage für den russischen Militärgeheimdienst. Darauf stehen nach georgischem Recht bis zu zehn Jahre Gefängnis. Das Gericht tagte hinter verschlossenen Türen. Einer der Beschuldigten rief "Das ist eine Provokation", als er in das Gebäude geführt wurde. Im Zusammenhang mit der Affäre wurden auch sieben Georgier wegen Hochverrats angeklagt.

Das Hauptquartier der russischen Streitkräfte in Tiflis blieb von der georgischen Polizei umstellt. In dem Komplex soll sich ein fünfter wegen Spionage gesuchter Offizier aufhalten. Russlands Botschafter in Tiflis, Wjatscheslaw Kowalenko, schloss seine Auslieferung an die georgischen Behörden aus. Die Regierung in Moskau hat angekündigt, für eine Freilassung ihrer vier Offiziere "alle Mittel" einzusetzen.

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili warb in einem Telefonat mit US-Außenministerin Condoleezza Rice um Verständnis. "Wir handelten und handeln im Rahmen des Gesetzes, so wie es alle zivilisierten Staaten tun", sagte Saakaschwili am Freitagabend in Tiflis. Jeder wisse, dass russischen Bürgern in Georgien keine Gefahr drohe.

Hunderte Russen ausgeflogen
Mehrere hundert russische Staatsangehörige wurden mit zwei Frachtflugzeugen aus dem südkaukasischen Staat ausgeflogen. An Bord einer der Maschinen sollte auch Kowalenko das Land verlassen. Russland begründete die Rückholaktion mit Sicherheitserwägungen. In diplomatischen Kreisen hieß es laut der Agentur Interfax, auch abkömmliche Militärangehörige und deren Familien sollten von den beiden noch verbliebenen russischen Stützpunkten in Georgien abgezogen werden.

Der UNO-Sicherheitsrat vermied es in der Nacht zunächst, eine von Russland eingebrachte Erklärung zu dem Konflikt zu verabschieden. Er vertagte die Beratungen auf Freitag. Russland hatte die Verurteilung "provokativer Handlungen Georgiens, die zu einer Verschärfung der Lage führen" , gefordert.

NATO ruft zu Deeskalation auf
Die Krise war auch Thema beim NATO-Treffen im slowenischen Portoroz, bei dem Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow zu Gast war. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer rief Russland und Georgien zur Deeskalation auf, erklärte aber auch, das Militärbündnis werde sich nicht in den Konflikt hineinziehen lassen. Iwanow machte einigen der "jüngeren Mitglieder der NATO" am Rande des Treffens den Vorwurf, sich nicht an internationale Vereinbarungen zu halten und Georgien mit Waffen aus ehemals sowjetischen Beständen zu beliefern. Das Bündnis nahm keine Stellung zu den Vorwürfen.

Nach monatelangem Zögern hatte die NATO Georgien vor zehn Tagen Gespräche über engere Beziehungen zugesagt. Dessen Präsident Michail Saakaschwili strebt nach einem Beitritt zu dem westlichen Militärbündnis und bemüht sich auch um eine Annäherung an die Europäische Union (EU). Nach den Staaten des ehemaligen Ostblocks und der Ukraine droht Russland damit auch auf dem Kaukasus an Einfluss zu verlieren. Saakaschwili kam 2003 in der friedlichen " Rosen-Revolution" gegen die mit Russland verbündete Führung an die Macht. Seitdem hat sich das Verhältnis zwischen beiden Staaten massiv verschlechtert.

Der Streit um Abchasien wie auch um das ebenfalls von Georgien abtrünnige Süd-Ossetien ist einer der Kernkonflikte zwischen den beiden Staaten. Beide Regionen streben nach einer engeren Anbindung an Russland und werden von der Regierung in Moskau unterstützt.

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