Heftige Kritik am Kompromiss. EU-Chef n Ursula von der Leyen versprach Dinge, die sie keinesfalls einhalten kann
Sinn? Was ist der Sinn eines Deals, bei dem wir im Grunde nur verlieren können? Diese Frage stellen sich viele, die den "politischen Kompromiss" zwischen einer strahlenden EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und einem überlegen lächelnden US-Präsidenten Donald Trump durchaus kritisch sehen.
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750 Milliarden Euro will die EU in den kommenden Jahren für schmutziges US-Frackinggas ausgeben, um nicht mehr vom Putin-Gas abhängig zu sein.
Weitere 600 Milliarden sollen EU-Firmen künftig in den USA investieren. Wie soll das gehen? Die EU ist nicht China, keiner kann privaten Unternehmen vorschreiben, wie viel und ob sie in den USA investieren sollen.
Dafür gibt's nur noch 15 Prozent statt 30 Prozent Zölle für europäische Waren in den USA.
Für die einen ist der Deal das Beste, was in dieser heiklen Situation überhaupt möglich war. Sie werten das, was von der Leyen und Trump zwischen zwei Golfpartien im regnerischen schottischen Turnberry erzielt haben, als großen Erfolg. Schließlich hätte "ein Handelskrieg schwerwiegende Folgen gehabt", sagt EU-Kommissar Maroš Šefčovič.
Österreichs Kanzler Stocker abwartend: "Wesentlicher Schritt"
Andere wiederum halten die getroffene (politische) Vereinbarung für devotes Stiefellecken durch von der Leyen und eine totale Kapitulation der EU vor Trump. Frankreichs Premierminister François Bayrou nannte es gar einen "schwarzen Tag für Europa".
Österreichs Kanzler Christian Stocker ist abwartend, sieht es gegenüber oe24.TV neutral: "Die Zoll-Einigung ist ein wesentlicher Schritt hin zu mehr Stabilität und Planbarkeit im transatlantischen Handel. Angesichts der schwierigen Umstände war eine Einigung wichtig und notwendig. Allein für europäische Autoexporte wurde der US-Zollsatz von 27,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt -ein enorm wichtiger Schritt für eine Branche, die in Österreich rund 350.000 Arbeitsplätze sichert."
Die FPÖ ist härter: "Mit dieser Vorgangsweise wurde Europa verkauft und muss überteuerte Energie aus den USA abnehmen", kritisierte FPÖ-Wirtschaftssprecherin Barbara Kolm.
Fix ist derzeit aber noch nix. Der gesamte Deal muss erst abgesegnet, nachverhandelt und dann bei einem EU-Rat sanktioniert werden, nur dann wäre er auch verbindlich.
Zoll-Einigung mit den USA »in Wahrheit eine Kapitulation«
Bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn es ist fraglich, ob alle Mitgliedstaaten zustimmen werden. Frankreich tobt über 15-Prozent-Zoll, während das Nicht-EU-Land Großbritannien nur 10 Prozent zahlen muss.
In Deutschland ist man - lagerübergreifend - außer sich. Durchgehend hagelt es Kritik: "Das ist ein unzureichender Kompromiss und sendet ein fatales Signal an die eng verflochtene Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks", mahnt etwa Wolfgang Niedermark vom Bundesverband Deutscher Industrie (BDI). Christoph Ahlhaus, Chef des europäischen Mittelstandsverbands, zürnt: "Was uns die EU-Kommissionspräsidentin als Zoll-Durchbruch verkaufen will, ist in Wahrheit eine Kapitulation." Selbst Kanzler Merz erklärte nach Abschluss des Deals: "Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle."
Ist der Deal ein Verrat an Europa, von der Leyen rücktrittsreif? Viele sagen ja. Die Hauptkritikpunkte sind: Das Abkommen ist unausgeglichen zulasten der EU, enthält keine substanziellen Erfolge, und viele Details sind selbst eine Woche nach dem fatalen Treffen offen. Keiner weiß so genau, was in dem Papier tatsächlich drinnensteht. Es gibt bisher ausschließlich ein "Fact Sheet" des Weißen Hauses.
Im Kanzleramt in Wien wie auch in Brüssel wartet man deshalb ab, auf welcher legalen Basis ein bindender Vertrag überhaupt entstehen kann. Der Deal von Schottland ist somit kaum mehr als ein "fauler Kompromiss".