20171231_66_172144_171231_10Uhr_Kickl_Best_Of.jpg

ÖSTERREICH-Interview

Herbert Kickl: 'Bin oberster Aufpasser'

Teilen

Herbert Kickl empfängt ÖSTERREICH in Büro, in dem alle Innenminister amtierten.

Im Gegensatz zu Wolfgang Sobotka hat sich Kickl aber einen kleinen Schreibtisch hineinstellen lassen. Und wohl als erster Polizeiminister steht im kleinen Kabinett nebenan ein Feldbett mit einer Polizeidecke. Dort kann der Workoholic und Extremsportler zwischen den Terminen auch einmal abschalten.

Herbert Kickl: 'Bin oberster Aufpasser'
© TZ ÖSTERREICH (Wolak)

ÖSTERREICH: Österreich ist doch ein sehr sicheres Land. Wo sehen Sie noch Defizite?

Herbert Kickl: Wir freuen uns, dass wir international gut abschneiden, aber wir haben schon ein grundlegendes Problem: die Nachwehen aus dem Totalversagen der Politik bei der Flüchtlingswelle ab 2015. Das Vertrauen der Bürger in den Staat wurde erschüttert. Das müssen wir wiedergewinnen. Zusätzlich muss es gelingen, die Zahl der „Neuzugänge“ einzudämmen. Dazu müssen wir auch die Attraktivität unseres Sozialsystems deutlich reduzieren.

ÖSTERREICH: Asylwerbern Bargeld und Handys abnehmen – das erfolgt, damit Flüchtlinge Österreich tunlichst meiden?

Kickl: Das hat sachliche Gründe. Aber ich bin mir sicher, dass sich das schnell herumsprechen wird, dass man bei uns nicht mehr damit durchkommt, einerseits um Asyl anzusuchen, andererseits aber jegliche Bereitschaft zur Kooperation vermissen zu lassen. Eine der Maßnahmen, die Identität bzw. Reiseroute festzustellen, wenn jemand etwa keine Papiere hat, ist die Auswertung der Handys.

ÖSTERREICH: Und das Geld?

Kickl: Es ist nicht einzusehen, dass jemand, der die Brief­tasche voller Geld hat, keinen Eigenbeitrag leisten soll.

ÖSTERREICH: Es soll auch große Asylunterkünfte geben …

Kickl: Wir wollen Grundversorgungszentren einrichten, man könnte sie auch Rescue Center nennen. Hier sollen Asylwerber an einem Ort zusammengefasst untergebracht werden. Das Ziel muss sein, binnen sechs Monaten zu Entscheidungen im Asylverfahren zu kommen. Das ist im Interesse aller Beteiligten. Diese Art der Unterbringung erleichtert die straffe Abwicklung.

ÖSTERREICH: Wie groß sind die? 100, 1.000 oder gar 5.000?

Kickl: Wir reden nicht von Massenquartieren. Aber es ist unseren jungen Männern auch zumutbar, sechs Monate in Kasernen untergebracht zu sein.

ÖSTERREICH: Ihr Parteifreund Johann Gudenus wollte Asylzentren am Stadtrand …

Kickl: Nicht unbedingt mein bevorzugter Terminus, aber es geht um Grundversorgungs­einrichtungen, wir wollen weg vom System der individuellen Unterbringung.

ÖSTERREICH: Sie wollen Personal um 2.100 Polizisten aufstocken. Bis wann soll das stehen?

Kickl: Das ist ein Projekt, das wir uns über den Verlauf der Periode vorgenommen haben. Weil es schon seit Längerem zu wenig Planstellen gibt. Die Zahl der Überstunden und die Belastungen sind enorm. Zusätzlich müssen wir neue Po­lizisten ausbilden, weil eine Pensionierungswelle in den nächsten zehn Jahren personellen Aderlass bringen wird.

ÖSTERREICH: Zu dem Fall des Polizisten, der von einem Tsche­tschenen verletzt wurde: Nur einer der zehn Verdächtigen ist in U-Haft …

Kickl: Wir müssen mit dem Justizressort gemeinsam prüfen, warum so entschieden wurde. Und zwar über die aktuellen Fälle hinaus. Wenn es neue gesetzliche Möglichkeiten braucht, um hart durchzugreifen, müssen wir sie schaffen. Wenn die Kommunika­tion verbessert werden muss, machen wir das. Mein Ziel ist es, dass Asylwerber oder Asylberechtigte, die bei uns Schutz wollen, aber dann Polizisten brutal verletzten, ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Alles andere wäre inkonsequent.

ÖSTERREICH: Sie stimmen über­raschend auch dem Sicherheitspaket zu. Warum?

Kickl: Es hat sich einiges geändert. Wir reden nicht mehr von einer Überwachung, die in die Breite geht, sondern in die Tiefe. Wir konzentrieren uns auf einzelne Gefährder. Es ist wesentliche Aufgabe des Staates, etwa den radikalen Islamismus zu bekämpfen.

ÖSTERREICH: Bei Ihrem Amtsantritt gab es Unbehagen. Müssen sich politisch Andersdenkende vor Ihnen fürchten?

Kickl: Vor mir muss sich niemand fürchten. Außer diejenigen, die es nicht gut meinen, weil sie terroristische Aktivitäten vorantreiben oder Teil der organisierten Kriminalität sind. Ansonsten ist es mein Anspruch, die Sicherheitsinteressen aller Österreicher zu vertreten. Da gehört das linke politische Spektrum genauso dazu, wie das politische Spektrum rechts der Mitte, solange sich das alles auf dem Boden von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abspielt.

ÖSTERREICH: Es gibt auch die Befürchtung, Sie würden den Sicherheitsapparat umfärben.

Kickl: Als ich ins Ministerium gekommen bin, haben die Sicherheitskräfte bereits blaue Uniformen getragen. Nein, im Ernst: Der gesamte Apparat, dem ich als Minister die Ehre habe vorzustehen, besteht aus etwa 35.000 Personen. Ich habe einen Generalsekretär eingesetzt, was übrigens auch in anderen Ressorts passiert, und die politische Verantwortung gegenüber dem Parlament trage ohnehin ich.

ÖSTERREICH: Sie haben eine Staatssekretärin im Haus. Hat diese eine Kontrollfunktion?

Kickl: Ich sehe das nicht als Aufpasserfunktion. Als Innenminister bin ich der oberste Aufpasser. Die Frau Staatssekretärin wird auch, das werde ich am 2. Jänner vornehmen, einen eigenen Wirkungsbereich haben. Sie übernimmt den gesamten Bereich der Korruptionsbekämpfung sowie den Zivildienst und den Gedenkdienst.

Günther Schröder     

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.