Asyl-Gipfel am Sonntag

Machtkampf wegen Flüchtlingen

Teilen

Merkel-Kontrahent vor Schicksaltreffen in Brüssel durch Kanzler Kurz gestärkt.

Wenige Stunden vor dem kleinen Asyl-Gipfel in Brüssel wird die Lage für Deutschlands Kanzlerin immer dramatischer: Sebastian Kurz, seines Zeichens österreichischer Regierungschef, wird zum großen Gegenspieler von Angela Merkel. Ihre Gegner scharen sich hinter Kurz:

Im Interview mit der Bild verteidigt der VP-Kanzler nun demonstrativ Merkels Kontrahent Horst Seehofer: „Die CSU hat mich 2015 und 2016 immer verteidigt, als wir auch aus Deutschland scharf angegriffen wurden für unsere Positionen“.

Der Mini-Gipfel am Sonntag – Merkel, Kurz und rund 14 weitere EU-Staaten nehmen daran teil – ist nötig, um den Machtkampf zwischen Merkel und Seehofer zu lösen. Der deutsche Innenminister (CSU) will die deutschen Grenzen de facto dicht machen und alle „Migranten abweisen“. Merkel hingegen will eine „europäische Lösung“ und bilaterale Abkommen mit den betroffenen Ländern.

Visegrad und Rom stellen sich hinter Kanzler Kurz

Dass Kurz sich jetzt offen hinter Seehofer stellt, bedeutet weitere bad news für die CDU-Regierungschefin. Denn hinter Kurz sammeln sich auch die Regierungen der Visegrad-Staaten – der VP-Kanzler nahm am Donnerstag an einem Mittagessen mit Viktor Orban und Co in Budapest teil – und die neue populistische Regierung Italiens.

Premier Giuseppe Conte will keine Flüchtlinge aus Deutschland in Italien aufnehmen und droht mit einem Gegenentwurf am Sonntag. Kurz wiederum pocht wie die Visegrad-Staaten – sie waren zwar bis auf Tschechien zum informellen Treffen am Sonntag nicht eingeladen, erklären aber den Merkel-Gipfel boykottieren zu wollen – auf ein Ende der Debatten über eine Flüchtlingsaufteilung innerhalb der EU und will stattdessen einen stärkeren „gemeinsamen EU-Außengrenzschutz“.

Dass es am Sonntag zu einer Lösung kommt, gilt daher als unwahrscheinlich. Merkel hat noch eine Chance am formalen EU-Gipfel (Donnerstag und Freitag) in Brüssel einen Kompromiss zu erzielen. Sonst eskaliert der Machtkampf in Deutschland und der EU komplett. I. Daniel

Tusk Kurz
© APA/HANS KLAUS TECHT

Treffen mit Tusk: "Er hat die Führungsrolle inne"

Zwei Tage vor dem EU-Minigipfel zur Migrationspolitik hat ÖVP-Kanzler Kurz demonstrativ die Führungsrolle von EU-Ratspräsident Donald Tusk in dieser Frage betont. „Er hat die Führung im Europäischen Rat, er ist derjenige, der mit uns zusammenarbeitet, um die Außengrenzen der Europäischen Union zu schützen“, so Kurz vor dem Treffen mit Tusk – Thema war eigentlich Österrreichs bevorstehender EU-Vorsitz.

„Die wahre Priorität für uns ist es, unsere Außengrenzen zu schützen“, so Tusk gestern in Wien.

Kanzler auf Achse: Das irre Programm des Kurz

  • Linz: Am Mittwoch verlegte Kurz den Ministerrat nach OÖ und schob Treffen mit Bayerns Regierung ein.
  • Budapest: Am nächsten Tag ging es nach Ungarn für Treffen mit Viktor Orban.
  • Brüssel: Im Stakkato geht es nächste Woche für den Kanzler weiter: Am Donnerstag heißt es, ab nach Brüssel zum EU-Gipfel – auch Treffen mit Frankreichs Macron steht am Plan – ehe Wien den EU-Vorsitz übernimmt.

Seehofer Merkel
© AFP
× Seehofer Merkel

In der Union kriselt es gewaltig. Merkel und Seehofer ringen jeweils um ihren Asylkurs.

Merkel: "Müssen weiter ein offenes Land sein"

In Jordanien und im Libanon informierte sich Merkel über die Flüchtlingsproblematik. Sie verteidigte abermals ihren Ansatz für eine europäische Asylpolitik: „Wir müssen ein offenes Land sein“, sagte sie. Gleichzeitig räumte sie ein: „Natürlich müssen wir mehr ordnen und steuern“.

"Entlassung"

In Deutschland selbst gingen die Attacken gegen Merkel indes unvermindert weiter. Ihr Hauptgegner im Flüchtlingsstreit, CSU-Innenminister Horst Seehofer, warnte sie davor, ihn wegen eines möglichen Alleingangs in der Asylpolitik zu feuern: „Wenn man mit dieser Begründung einen Minister entlässt, der sich um die Sicherheit und Ordnung seines Landes sorgt und kümmert, wäre das eine weltweite Uraufführung. Wo sind wir denn?“, warnte er.

Rücktritt

In der Bevölkerung indes sinkt der Rückhalt für Merkel. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstuts YouGov sprachen sich 43 Prozent dafür aus, dass die Kanzlerin zurückztritt und ihr Amt an einen Nachfolger oder Nachfolgerin übergibt.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.