Kanzler im Interview:

"Nach Steuerentlastung kommt Schulreform"

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Kanzler: "Spüre, dass auch beim Thema Schulreform Bewegung in die ÖVP kommt!"

Kanzler Werner Faymann kündigt in einem Interview mit ÖSTERREICH nach der Steuerentlastung für 2015 auch eine große Schulreform an.

Der Kanzler sieht sich im Tauziehen um die Steuerreform im Interview als klarer Sieger: "Als ich vor einem Jahr eine Lohnsteuersenkung verlangt habe, hat die ÖVP klar gesagt, dass kein Geld für eine Steuersenkung vorhanden ist. Mittlerweile hat sich die Volkspartei um 180 Grad gedreht. Wir sind uns jetzt einig, dass mindestens 5 Milliarden Euro für die Steuerreform bereit stehen, ich will nach wie vor die vollen 5,9 Milliarden. Ich bin mir sicher, dass wir bis März zu einem sehr guten Ergebnis kommen."

Er rechne fix mit einer Gegenfinanzierung durch eine neue Form einer Vermögenssteuer, sagte Faymann. Der Kanzler: "Ich habe hier die besseren Argumente, denn ohne zusätzliche Einnahmen wird eine Steuersenkung dieser Größenordnung nicht möglich sein und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die die breite Masse trifft, oder eine generelle Grundsteuer, die jeden Mieter trifft, werde ich verhindern."

Kanzler schließt Neuwahlen aus
Neuwahlen im Falle einer Nicht-Einigung auf Vermögenssteuern schließt Faymann im ÖSTERREICH-Interview aus: "Ich sage klar Nein zu Neuwahlen. Die Menschen wollen, dass die Regierung arbeitet und sich einigt. Und das werden wir tun."

Neben der Steuerentlastung kündigt Faymann auch Bewegung beim Thema Schulreform an. Faymann: "Ich sehe die Schulreform als ganz wichtiges Projekt für 2015. Ich spüre, dass auch bei diesem Thema Bewegung in die ÖVP kommt. Und ich bin auch hier sehr optimistisch, dass die ÖVP ihre Blockade aufgeben wird und wir bei der ganztägigen und gemeinsamen Schule im neuen Jahr wirkliche Fortschritte machen. Auch die Schulreform wird kommen."
 

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"Nach Steuerentlastung kommt Schulreform"

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, Sie haben den Österreichern für 2015 eine Steuersenkung versprochen. Wie optimistisch sind Sie, dass sie auch wirklich kommt?
FAYMANN: Sehr optimistisch. Wir brauchen ja nur ein Jahr zurückblicken: Damals, als ich die Lohnsteuersenkung verlangt habe, hat die ÖVP klar gesagt, dass kein Geld für eine Steuersenkung vorhanden ist. Mittlerweile hat sich die Volkspartei um 180 Grad gedreht. Wir sind uns jetzt einig, dass mindestens 5 Milliarden Euro für die Steuersenkung bereitstehen, ich will nach wie vor volle 5,9 Milliarden. Ich habe mich also zumindest mit 5 Milliarden schon durchgesetzt und bin mir sicher, dass wir bis März zu einem sehr guten Ergebnis kommen, wobei ich ganz genau darauf achten werde, dass diese Steuerreform auch wirklich als Tarifsenkung bei allen Steuerzahlern im Geldbörsel ankommt.

ÖSTERREICH: Wie war die erste Sitzung der Steuerreform-Kommission?
FAYMANN: Sehr konstruktiv. Bei den ersten Themen, wie Betrugsbekämpfung und Senkung des Eingangssteuersatzes, wurde schon Einigung erzielt, da arbeiten schon die Experten an den Details. ­Jetzt kommen dann die großen ­Themen.

ÖSTERREICH: Zum Beispiel die Gegenfinanzierung durch eine Vermögenssteuer?
FAYMANN: Genau. Und da habe ich die besseren Argumente. Denn ohne zusätzliche Einnahmen wird eine Steuersenkung dieser Größenordnung nicht möglich sein. Und dass hier Geld von einer Tasche der Menschen in die andere verschoben wird – etwa durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, die die breite Masse trifft, oder durch eine generelle Grundsteuer, die jeden Mieter trifft – das werde ich verhindern. Es kann also die Gegenfinanzierung nur durch eine neue Form der Vermögenssteuer erfolgen. Ob das nun durch eine Vermögenssteuer ab einer Million Euro ist oder durch eine Erbschaftssteuer jenseits der Million oder eine Grundsteuer für wirkliche Großgrundbesitzer – wir haben da jede Menge gute Vorschläge ausgearbeitet. Jetzt ist die ÖVP am Zug, einem Konzept zuzustimmen und auch hier Bewegung zu zeigen.

ÖSTERREICH: Eine Neuwahl bei ­einem Scheitern der Steuersenkung ist denkbar?
FAYMANN: Klares Nein. Wer immer Neuwahlen vom Zaun bricht, wird von der Bevölkerung abgestraft. Die Menschen wollen, dass diese Regierung arbeitet und sich einigt. Und das werden wir tun.

ÖSTERREICH: Glauben Sie auch an eine Einigung bei der Schulreform?
FAYMANN: Ich sehe das neben der Steuerentlastung als ein ganz wichtiges Projekt für 2015. Ich spüre, dass auch bei diesem Thema Bewegung in die ÖVP kommt. Und ich bin auch hier sehr optimistisch, dass die ÖVP so wie bei der Steuersenkung ihre Blockade aufgeben wird und wir bei der ganztägigen und bei der gemeinsamen Schule im neuen Jahr wirkliche Fortschritte machen. Auch da wird die Reform kommen.

ÖSTERREICH: Wann kommt der wirtschaftliche Aufschwung?
FAYMANN: Das wird natürlich das große Thema für 2015. Wir arbeiten daran auf österreichischer Ebene, aber das ist natürlich ein europaweites Anliegen, das müssen wir in der ganzen EU schaffen: mit dem großen 300-Milliarden-Investitionspaket, das Kommissionspräsident Juncker präsentieren wird, das auf gutem Weg ist und für das ich gekämpft habe. Aber wir müssen auch die großen Konzerne und den Finanzmarkt stärker kontrollieren. Es darf nicht sein, dass die Finanzspekulanten noch immer das Kommando führen und dass große Konzerne wie Google oder Amazon gemessen am Gewinn kaum Steuer zahlen. Europa ist eine Schicksalsgemeinschaft – wir müssen die Wirtschaft ankurbeln, aber gleichzeitig die Steuerflucht viel schärfer kon­trollieren.

ÖSTERREICH: Können Sie garantieren, dass das Investitionspaket nicht in den Atomkraft-Ausbau fließt?
FAYMANN: Dagegen kämpfe ich ganz entschlossen. Die 300 Milliarden sind natürlich für alternative Energien, für Innovationen, für grüne Projekte gedacht – nicht für die Atomlobby.

ÖSTERREICH: Sie wollten in der Regierung einen Beschluss gegen das Freihandelsabkommen mit den USA fassen, haben aber von der ÖVP keine Zustimmung bekommen.
FAYMANN: Meine Position ist klar. Ich will, dass die österreichische Regierung festlegt, dass die Letztentscheidung für dieses Freihandelsabkommen mit den USA bei unserem Parlament liegt. Und dass wir nicht zustimmen werden, wenn Klagsrechte für große Konzerne vorgesehen sind, die dann mit dem Einsatz von vielen, vielen Millionen zum Beispiel unsere Landwirtschaft niederklagen wollen. Die Arbeitssituation der Menschen, die Umwelt, die Lebensmittelsicherheit sind gefährdet genug – da dürfen große Konzerne keine zusätzlichen Klagsrechte haben. Die ordentlichen Gerichte reichen aus. Und ich verstehe überhaupt nicht, warum die ÖVP hier aufseiten der Konzerne stehen will.

ÖSTERREICH: Die EU bejubelt gerade den Erfolg der Sanktionen gegen Russland. Rubel und russische Wirtschaft brechen zusammen …
FAYMANN: Ich kann und will dieser Euphorie nicht zustimmen. Ich sehe überhaupt keinen Grund zum Jubeln. Wir erleben in der Ukraine eine humanitäre Katastrophe, wir haben Tausende Tote. Und ich weiß auch nicht, warum wir uns freuen sollten, wenn die russische Wirtschaft zusammenbricht. Wir sägen uns gerade den eigenen Ast ab, auf dem wir sitzen, wenn wir zur russischen Wirtschaft eine neue Mauer aufbauen.

ÖSTERREICH: Sie sind gegen die Sanktionen?
FAYMANN: Die Sanktionen waren ein Schritt der Notwehr, weil die Russen den Frieden mit der Ukraine gebrochen haben – als solche waren sie richtig. Aber unser Ziel kann keine Verschärfung der Sanktionen sein, sondern unser Ziel muss sein, dass sich die Russen künftig an die Friedensabkommen halten, keine kriegerischen Schritte setzen – und sich im Gegenzug darauf verlassen können, dass wir unsere Zusammenarbeit mit ihnen fortsetzen.

ÖSTERREICH: Werden Sie weiter mit Putin verhandeln?
FAYMANN: Ich habe vor zwei Wochen mit ihm telefoniert. Ich werde weitere Verhandlungen anregen und die EU-Außenbeauftragte unterstützen, die klargemacht hat, dass sie ebenfalls auf eine friedliche Lösung setzt. Wir müssen also im kommenden Jahr verstärkt unsere neutrale Rolle für Friedensverhandlungen einsetzen.

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