Schmied reagiert auf PISA

Rettungsplan für unsere Schule

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Autor Salcher erklärt, warum Finnen beim PISA-Test an 2. Stelle liegen.

Ganz Österreich sitzt der Schock über das PISA-Debakel in den Knochen. Minus 20 Punkte in der Lesekompetenz (und ein Absturz von Platz 16 auf Platz 31 der 34 OECD-Länder), minus 17 Punkte in den Naturwissenschaften und minus 9 Punkte in Mathematik machen Österreichs Schulsystem zum schlechtesten der EU.

Lesen Sie hier die 10 Punkte für das Bildungs-Volksbegehren !

Parteien streiten um die Reform und 1.000 Lehrer
Gestern hagelte es politische Appelle zur Schulreform. Die SPÖ bot Kanzler, Ministerin und sogar alle Landessprecher auf, um die Umsetzung der „Neuen Mittelschule“ zu fordern. Die ÖVP bellte in Person ihres Generalsekretärs Fritz Kaltenegger reflexartig ein „Nein zur Gesamtschule“ zurück – und forderte eine Reform des Kindergartens und Sprachförderkurse in der Volksschule. Grünen-Chefin Eva Glawischnig kündigte einen Budgetantrag für 1.000 zusätzliche Lehrer (Kosten: 45 Millionen Euro) an.

Schmied kündigt „Regierungsvereinbarung“ an
Im Gespräch mit ÖSTERREICH skizziert Bildungsministerin Claudia Schmied erstmals, wie sie sich ihren Rettungsplan für die Schulen vorstellt. Sie wünscht sich „bis spätestens März“ eine „gemeinsame Regierungsvereinbarung zur Neuen Schule“.

Darin will Schmied folgende Punkte „außer Streit“ stellen:

  • Ein „neues Lehrer-Dienstrecht“ mit Ganztags-Schulverpflichtung für neu eintretende Lehrer, das ab Jänner verhandelt und im Frühjahr abgeschlossen werden soll.
  • Höhere Budgetmittel für Sprachförderkurse und Ganztagsschulen vor allem in den Städten.
  • Und als Kernpunkt: Eine Regierungseinigung darauf, dass in Zukunft die 10 %-Beschränkung für den Schulversuch „Neue Mittelschule“ wegfallen soll.

Schmied zu ÖSTERREICH: „Ich komme der ÖVP bewusst entgegen und fordere keine Regel-Einführung. Ich will nur, dass dort, wo Eltern und Länder das wollen, der Schulversuch Neue Mittelschule starten darf.“

Schmied will, dass die Begrenzung für den Schulversuch „spätestens bis Juni fällt“. Ab Herbst 2011 sollen sich dann alle interessierten Schulen anmelden dürfen (sie bekommen deutlich höhere finanzielle Zuwendungen). Im Budget 2011 sollen zusätzliche Gelder für dann vermutlich mehrere Hundert Schulversuche eingeplant werden.

Schmied: „Ab Herbst 2012 soll die Neue Mittelschule dann in den Ländern und Gemeinden, die das wünschen, unbeschränkt starten können.
 

Salcher: "Finnische Lehrer zählen zur Elite"

» ln Österreich wird Bildung de facto vererbt. Das muss sich ändern. «

Autor A. Salcher erklärt im ÖSTERREICH-Interview, warum die Finnen beim PISA-Test an 2. Stelle liegen.

ÖSTERREICH: Herr Salcher, was machen die Finnen besser als wir?
Andreas Salcher
: Unser Grundproblem ist die Lehrerauswahl und -weiterbildung. In Finnland gehört der Beruf zu den angesehensten überhaupt. Nur die besten Schulabsolventen werden Lehrer. Von zehn10 Bewerbern wird nur einer genommen. Das ist echte Positivselektion. Lehrer zählen also zur Elite der Gesellschaft.

ÖSTERREICH: Wie schauen die Gehälter aus?
Salcher: Die finnischen Lehrer verdienen im Schnitt weniger als un­sere. Die Gehälter der österreichischen Lehrer liegen beim Lebenseinkommen im Spitzenfeld. Wir sollten die Anfangsgehälter erhöhen und dann nach Leistungskriterien staffeln.

ÖSTERREICH: Wie gehen die Finnen mit schwächeren Schülern um?
Salcher: Lehrer werden dort nicht allein gelassen. Es gibt ein systemisches Eingehen auf die Kinder: mit Sozialarbeitern, Ärzten und Psychologen. Für all das ist bei uns kein Platz. Unsere Lehrer sollten bis 16 Uhr an der Schule sein, etwa für Besprechungen und Elterngespräche.

ÖSTERREICH: Wäre eine Gesamtschule, wie in Finnland, bei uns sinnvoll?
Salcher: Die ideologisierte Gesamtschuldebatte ist nicht die Lösung. Auch, wenn die Natürlich ist die frühe Selektion, also de facto die Vererbung von Bildung, wie sie bei uns stattfindet, ein großes Problem ist.

ÖSTERREICH: Wie sieht dann eine Lösung aus?
Salcher: Ein enorm leistungsorientiertes, talentdifferenziertes Kurssystem, wie in Finnland. Also individuelle Lehrpläne für jedes Kind ab der Unterstufe mit Mindeststandards. Und der Lehrer als Coach, wie Fahrlehrer.

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PISA-Präsentation

Bildungsministerin Claudia Schmied und Günter Haider, Direktor des für die Österreich-Tests zuständigen Bundesinstituts für Bildungsforschung, präsentierten am Dienstag im Ares-Tower die Ergebnisse der aktuellen PISA-Studie.

Haider zu den wenig erfreulichen Resultaten: "Das Ergebnis kann uns als Kulturnation nicht zufrieden stellen. 25.000 verlassen jedes Jahr die Hauptschule, ohne lesen zu können."

„PISA ist ernst zu nehmen. Österreich schöpft das Begabungs- und Leistungspotenzial der Schülerinnen und Schüler bei weitem nicht aus", so die Ministerin.

Nach dem schlechten Abschneiden Österreichischer SchülerInnen fordert Schmied mehr denn je eine rasche Umsetzung der Bildungsreform. Parteiintern bekommt sie Rückenstärkung; Gegenwind kommt von der ÖVP.

"Parteipolitische Grenzen müssen im Interesse unserer jungen Menschen und der Zukunft Österreichs überwunden werden. Lasst Worten Taten folgen,“ appelierte Schmied.

"PISA 2009 bekräftigt mich, konsequent und hartnäckig für Reformen einzutreten“, so die Ministerin.

Zum "Umgang" mit den Resultaten rät die Unterrichtsministerin, dass die üblichen „PISA-Rituale“ − (1) PISA-Präsentation, (2) Wer hat Schuld? (3) Gründung von Kommissionen, (4) geringe Reformbereitschaft − diesmal erst gar nicht beginnen. Reformen müssen her.