Das sagt ÖSTERREICH

Das Drama des Christian Kern: Was wusste er, was hat er getan?

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Ein Kommentar von ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Christian Kern wurde von der SPÖ als „Retter“ geholt: Er sollte die Partei zurück zum Erfolg und zum großen Wahlsieg führen. Jetzt wird aus dem „Retter“ fast schon ein „Totengräber“ – Kern hat aus der SPÖ einen politischen, vor allem aber auch moralischen Trümmerhaufen gemacht.

Wenn die Wähler nur halbwegs so entscheiden, wie das die Experten seit gestern erwarten, dann wird die SPÖ in zwei Wochen nicht nur vom erhofften ersten auf den dritten Platz zurückfallen, sondern läuft sogar Gefahr, deutlich unter die 20-%-Marke zu stürzen. Eine solche SPÖ wäre aber auf Jahre hinaus demoliert, sie würde jede Chance auf eine Koalition verlieren. Der SPÖ droht ein Tal der Tränen.

Der Hoffnungsträger Christian Kern hat so ziemlich alles falsch gemacht, was man in einem Jahr falsch machen kann. Er startete mit großen – und übrigens goldrichtigen – Worten, denen keine Taten folgten, weil Kern gleich einmal an der ÖVP-Blockade scheiterte.

Seine dann folgende – völlig richtige – Idee, mit seinem „Plan A“ in eine Neuwahl zu starten, blieb in einer SPÖ-internen Blockade hängen. Kern zauderte, rätselte, jammerte – so lange, bis die ÖVP Kurz an die Spitze holte und ihn eiskalt überraschte.

Kern hat Silberstein höchst­persönlich geholt

Von da an ging’s bergab. Weil Kanzler Kern es nie geschafft hat, im eigenen Kabinett und für den Wahlkampf gute Teams aufzustellen, stand er allein dem Kurz-Tsunami gegenüber. Seither hat der Kanzler einen kapitalen Fehler nach dem anderen gemacht:

Christian Kern höchstpersönlich holte – auf den Rat seines Freundes Alfred Gusenbauer – Silberstein als Berater. Deshalb wirkt es absurd, wenn Kern jetzt so tut, als hätte er von Silbersteins Praktiken nie etwas gewusst. Er hat diesen Mann geholt.

Christian Kern hat mit Silberstein und später mit Pöchhacker, den er auch geholt hat, Dutzende Gespräche geführt. Es erscheint undenkbar, dass dabei „Dirty Campaigning“ nie angesprochen wurde.

Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten:

Entweder Christian Kern hat vom „Dirty Campaigning“ gewusst – dann ist er als Spitzenkandidat untragbar.

Oder Christian Kern bekam nicht mit, wie sein Team arbeitet – dann ist er als künftiger Kanzler undenkbar. Denn wie soll einer unser Land durch Krisen lenken, wenn er nicht einmal sein Team im Griff hat?

Sauber wäre Kerns Rücktritt und ein Neustart mit Doskozil

So oder so ist Christian Kern nun wohl für viele Anhänger (ich habe selbst einmal dazugehört, weil ich seine Reformideen, seinen Stil anfänglich schätzte) unwählbar geworden.

Was soll man von einem Parteichef halten, der den loyalsten Mitarbeiter zum Rücktritt zwingt (der immer gegen Silberstein war), selbst aber im Job bleibt; der eine Task-Force gegen sich selbst (!) und seine Partei einberuft und von Verschwörungstheorien faselt, statt offen die Wahrheit zu sagen.

Wer Kern jetzt nicht mehr wählen will, hat drei Möglichkeiten:

Entweder eine Stimme für die notleidenden Grünen, für Pilz oder NEOS, um die linksliberalen Stimmen im Parlament zu erhalten. Das wird den Kleinen guttun.

Oder die Kern-Stimmen wechseln zu Kurz, damit ein Profi die Regierung führt, das Land stabil bleibt, ein Neuanfang kommt.

Oder die Wut wird so groß, dass noch mehr SPÖ-Wähler ins Strache-Lager wechseln. Dann wird’s dramatisch.

Ich bleibe dabei: Die sauberste Lösung wäre, wenn Kern freiwillig zurücktritt und an Hans Peter Doskozil übergibt. In Medienzeiten wie diesen kann ein Kandidat in wenigen Tagen auf 30 % und mehr Zustimmung kommen.

Doskozil hätte den Hype des Neuen, könnte in Rekordzeit einen Neustart hinlegen – und zumindest Platz 2 wäre für ihn locker drin.

Sonst wird Kern am 15. Oktober um 20 Uhr Geschichte sein, die SPÖ wird in Streit und Wehklagen verfallen, wird jahrelang für einen Neustart brauchen – und ein Bild des Jammers abgeben.

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