Gegenseitige Vorwürfe

Ärztekammer und SVA: Vertragsloser Zustand droht

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Ärztekammer und Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) steuern geradewegs auf einen vertragslosen Zustand zu. Pessimismus und gegenseitige Vorwürfe kennzeichnen die Situation vor der nächsten Verhandlungsrunde am kommenden Dienstag.

Ärztekammer-Vizepräsident Günther Wawrowsky warf der SVA in einem Hintergrundgespräch vor, anscheinend nicht mehr an einer weiteren Kooperation interessiert zu sein. "Wir sind so weit entfernt wie eh und je." Der stellvertretende SVA-Obmann Martin Gleitsmann meint, "es gibt eine Chance auf Einigung, aber sie ist kleiner geworden."

Der Vertragslose Zustand für die rund 700.000 gewerblich Versicherten würde mit 1. Juni eintreten, wenn sich die beiden Vertragspartner nicht bis dahin einigen. Die Bundesschiedskommission hatte den Vertrag bis 31. Mai verlängert, den die Ärztekammer mit Ende des Jahres 2009 gekündigt hatte, nachdem der Vorstand der SVA eine nach fast einjährigen Verhandlungen erzielte Einigung im Herbst des Vorjahres im letzten Moment noch verworfen hatte.

Ärzte würden automatisch zu Wahlärzten

Ein solcher Vertragsloser Zustand würde für die Versicherten bedeuten, dass sie ihre Rechnung beim Arzt sofort selbst bezahlen müssten und dann bei der SVA einreichen könnten. Sie würden aber nur einen Teil rückerstattet bekommen. Die Mediziner wären dann de facto Wahlärzte und könnten ihre Honorare frei festlegen. Die Patienten würden dann nicht 80 % ihrer Kosten zurück bekommen, sondern nur 80 % jenes Betrages, der für die jeweilige Leistung im Katalog der SVA festgeschrieben ist. Den letzten Vertragsfreien Zustand hatte es im Frühjahr 1962 für 3 Monate in Wien gegeben.

Wawrowsky kann derzeit bei der SVA "keine Tendenz" erkennen, die Angelegenheit "gütlich zu regeln". Die SVA scheine nicht interessiert, die Kooperation fortzusetzen. "Denen sind die Versicherten reichlich egal", unterstellte der Obmann der Niedergelassenen Ärzte seinem Verhandlungspartner. Gleitsmann wies diese Vorwürfe zurück und betonte, dass die SVA Verantwortung für ihre Versicherten trage und man die Versorgung der Patienten sicherstellen wolle.

Für die nächste Verhandlungsrunde am kommenden Dienstag forderte Wawrowsky, dass Gleitsmann auch Entscheidungen treffen dürfe, bisher sei dieser nicht in der Lage gewesen etwas abzuschließen und SVA-Obmann Christoph Leitl sei noch bei keinem Gespräch dabei gewesen. Gleitsmann betonte dazu, dass er "das volle Pouvoir" habe.

Der Ärztekammer-Vizepräsident warf der SVA auch vor, sich jetzt bereits auf einen vertragslosen Zustand vorzubereiten und Personal für die Administration zu suchen. Das bestätigte auch der stellvertretende SVA-Obmann: "Wir müssen das tun". Man könne nicht auf einmal am 31. Mai den Schalter umlegen, sondern für diesen Ernstfall seien wochenlange Vorbereitungen nötig. Deshalb würden bereits Ersatzangebote geprüft und mit anderen Anbietern gesprochen.

Dass Ärzte Einzelverträge mit der SVA abschließen würden, glaubt Wawrowsky nicht. Er rechne nicht mit Streikbrechern, sagte der Ärztekammer-Vize, nachdem er dies vor einiger Zeit noch nicht ausgeschlossen hatte. Gleitsmann erklärte dazu, man biete den Ärzten keine Einzelverträge, sondern Verrechnungsabkommen an. "Empört" zeigte er sich in diesem Zusammenhang über die Vorgangsweise der Ärztekammer: In Mails an alle Ärzte würden diese mit Klagen und Disziplinarverfahren bedroht. Nicht zuletzt deshalb ist Gleitsmann auch pessimistischer als noch vor einer Woche, aber "die Hoffnung stirbt zuletzt".

Inhaltlich hat die SVA nach Angaben der Ärztekammer zuletzt auf fünf Jahre ein Anhebung der Honorare um 0,27 % pro Jahr geboten. Die Ärztekammer will eine Abgeltung des Verbraucherpreisindex. Sie argumentiert damit, dass sich die SVA durch ein "Moratorium" in den letzten fünf Jahren ohnehin 38 Mio. Euro erspart habe.

Nach Berechnungen der Ärztekammer würde der SVA ein vertragsloser Zustand 7,2 Mio. Euro pro Jahr kosten, selbst die Maximalforderung der Ärztekammer käme deutlich billiger. Und Wawrowsky betonte, dass ein vertragsloser Zustand sicher länger als einige Tage dauern würde, wenn er einmal eintreten sollte. Der Ärztekammer-Vize warf der SVA vor, dass sie die Tarife auf das Niveau der Gebietskrankenkassen senken wolle. Gleitsmann erwiderte, dass die SVA auf Dauer nicht eine krasse Ungleichbehandlung ihrer Versicherten akzeptieren könne. Die SVA zahle im Schnitt um 50 Prozent mehr als die Gkks.

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