Frauen in Teilzeit

Nach Nehammer-Video: Lohnt sich Vollzeit arbeiten überhaupt?

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Kanzler Karl Nehammer wunderte sich in seinem "Burger-Video", warum nicht mehr Menschen von Teilzeit auf Vollzeit wechseln. Die Politik könnte dafür einiges tun, sagen zwei Ökonomen.  

Die Ökonomin Carmen Treml von der Agenda Austria und der Ökonom Jakob Sturn vom Momentum Institut sprechen in oe24 über die Hürden, die viele Menschen in der Teilzeit-Arbeit halten.

Agenda Austria-Ökonomin Treml meint: Steuerliche Nachteile und falsche Bequemlichkeit hielten vor allem Frauen fern von Vollzeit-Arbeit. Fehlende Kinderbetreuung sei in der Stadt gar nicht das Problem, "am Land natürlich schon".

Treml sagt: "In ganz Österreich liegt die Teilzeitquote von Frauen bei rund 50%. Auch in Wien, wo 9 von 10 Kindern gut Betreuung finden. Es sind also vor allem die hohen Steuern und Abgaben auf Arbeit, die Vollzeit unattraktiv machen."

Video zum Thema: Wirbel um Video von Kanzler Nehammer

 

Im internationalen Vergleich bleibt in Österreich viel weniger netto vom brutto, wenn man mehr arbeitet. In der Grafik sieht man, dass jemand, der in Schweden von 20 auf 40 Wochenstunden aufstockt, für seine 100% mehr Wochenarbeitszeit auch 85% mehr Gehalt erhält. In Österreich sind es nur 66% mehr, die einem bleiben.

Agenda Austria: Wer 50 Prozent mehr arbeitet, verdient brutto 50% mehr, netto bleiben davon aber nur 32,4%.

Agenda Austria: Wer 50 Prozent mehr arbeitet, verdient brutto 50% mehr, netto bleiben davon aber nur 32,4%. 

© Agenda Austria
× Agenda Austria: Wer 50 Prozent mehr arbeitet, verdient brutto 50% mehr, netto bleiben davon aber nur 32,4%.

"Wahnsinn" für das Pensionskonto

Treml sagt im oe24-Gespräch auch: "Es ist ein Wahnsinn. Wenn man glaubt, die Teilzeit reicht jetzt zum Leben und man mehr Freizeit genießt, wirkt sich das so auf das Pensionskonto aus, dass die Zahlungen später in der Pension nicht mehr reichen. Dann droht Altersarmut." Die Politik müsse dringend die Vollzeit-Arbeit steuerlich attraktiver gestalten, so dass mehr netto vom brutto bleibt.

Kinderbetreuung ist "der wichtigste Hebel"

Der Ökonom Jakob Sturn vom Momentum Institut widerspricht. Er sagt, dass "vor allem" die fehlende Kinderbetreuung, die es entweder gar nicht gibt oder die zusätzlich Geld kosten würde, Frauen in Teilzeit halten.

"Drei Viertel der Frauen in Teilzeit würden gerne mehr arbeiten", sagt Sturn. "Sie hätten also einen Anreiz, auch mit dem bisherigen steuerlichen System. Aber es ist ihnen nicht möglich, mehr zu arbeiten." Manche Jobs werden nur Teilzeit angeboten, der Hauptgrund sei aber "ganz klar die fehlende Kinderbetreuung".

Sturn sagt: "Die Kinderbetreuung ausbauen ist der wichtigste Hebel. Gut, dass die Bundesregierung hier bis 2030 auch 4,5 Milliarden Euro investieren will. Im EU-Vergleich hinken wir bei den Ausgaben für die Betreuung der Jüngsten hinterher. Nicht einmal 1% des BIP gibt Österreich dafür aus. Aber zum Glück tut sich jetzt etwas. Hoffentlich kommt das Geld an, vielleicht auch etwas schneller."

Das Nehammer-Video wurde vielfach kommentiert:

Zum Nehammer-Video sagt Momentum Institut-Ökonom Sturn noch folgendes: "Es gibt 331.000 Menschen in Österreich, die trotz Arbeit von Armut betroffen sind. Darunter sind auch Vollzeit-Arbeitende. Die Politik sollte diesen Menschen helfen, sie nicht verächtlich machen."

331.000 Working Poor in Österreich

Ein Grund, warum man auch mit Vollzeit-Arbeit armutsgefährdet sein kann, ist folgender: Die Armutsschwelle wird nach Personen im selben Haushalt gemessen. Das Geld, das für eine Einzelperson reichen kann, ist für eine Mutter mit zwei Kindern möglicherweise schon zu wenig. "Etwa, wenn sie einen niedrig bezahlten Vollzeitjobs hat (1.800 Euro im Monat) und davon schon 700 Euro für die Miete zahlen muss, für Lebensmittel und teuer gewordene Energie."

In Österreich sind immer mehr Menschen von Armut betroffen, obwohl sie erwerbstätig sind. Gemäß der jährlichen Erhebung EU-SILC zu Einkommen und Lebensbedingungen traf das 2022 auf insgesamt 331.000 Menschen in Österreich zu, meldete  Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) heuer im Mai. "Das sind 11 Prozent mehr als noch 2021. Alleinerzieher:innen und Familien mit drei oder mehr Kindern sind besonders betroffen." 

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