Noch 3 Wochen bis zum Weltfinanzgipfel in der alten US-Stahlmetropole Pittsburgh. Die Politiker haben den Mund voll genommen. Zocker-Banken sollen gezwungen werden, mehr Geld auf die hohe Kante zu legen, um Schieflagen aus eigener Kraft zu überleben. Ist das zu schaffen? Die wiedererstarkten Finanzmetropolen Wall Street und Londoner City ziehen an den Lobby-Strippen, um zu harte Auflagen zu verhindern. Die Krise hat gezeigt, dass Regierungen und Notenbanken längst nicht mehr frei entscheiden können. Einige Geldhäuser sind zum Sterben einfach zu groß: "too big to fail".
Vor ein paar Tagen sprach die deutsche Kanzlerin bemerkenswert offen: Keine Bank dürfe so groß werden, "dass sie in eine Position gelangt, in der sie Regierungen erpressen kann", sagte Angela Merkel nach einem Treffen mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy.
Staaten dürften nicht wieder auf dem falschen Fuß erwischt werden, wenn plötzlich Topmanager einer Bank - wie im Fall HRE - anrufen und erklären: Entweder der Staat hilft innerhalb der nächsten 12 Stunden, oder wir reißen das ganze Finanzsystem ein. Auch für den deutschen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ist es "nicht hinnehmbar", dass seit Beginn der Krise große Banken zwingend vor der Insolvenz gerettet werden müssen.
Das sind völlig neue Töne, die die staatlichen Krisenmanager anschlagen. Nach der verheerenden Pleite der US-Bank Lehman Brothers vor einem Jahr sollen der zu neuen Höhenflügen ansetzenden Finanzbranche die Flügel gestutzt werden. Großbanken, die am Markt scheitern, sollen auch untergehen können, ohne Volkswirtschaften in Geiselhaft zu nehmen. Merkel und Steinbrück wollen in Pittsburgh beim Gipfel der 20 führenden Industrienationen und Schwellenländer das Thema prominent zur Sprache bringen.
"Too big to fail" zählt nicht mehr
Das Phänomen "too big to fail" ist keine Erscheinung der aktuellen Finanzkrise, sondern wurde schon in den USA in der großen Depression diskutiert. Seit der Lehman-Pleite - laut Steinbrück die teuerste politische Fehlentscheidung der vergangenen Jahrzehnte - tauchte "systemrelevant" als neues Schlagwort auf. Die Industriemächte versprachen sich nach eiligen Krisentelefonaten in die Hände, jede "systemrelevante" Bank (ein Institut mit besonderer Bedeutung für Finanzmärkte und Wirtschaft) zu retten - koste es, was es wolle.
Mit dem Geld der Steuerzahler wurden in den USA der Versicherungsriese AIG und die Bank Citigroup vor dem sicheren Untergang bewahrt. In Deutschland war es die Hypo Real Estate (HRE), in Großbritannien unter anderem die Royal Bank of Scotland. Andere EU-Staaten mussten den Allfinanzkonzern Fortis und die Bank Dexia stützen. Nach dem Lehman-Beben durchaus nachvollziehbare Aktionen.
Global Player lassen die Muskeln spielen
Das führt dazu, dass die Global Player der Finanzwelt wieder die Muskeln spielen lassen. Mit dem Staat im Rücken werden sie zu riskanten Geschäften geradezu ermuntert. Schon ein dezenter Hinweis der Bankenaufsicht, ein Institut nähere sich der "too big to fail"- Kategorie, würde den Größenwahn noch anheizen. Denn die Bank könnte sich dann billiger Geld an den Märkten borgen für noch mehr Wachstum - im Notfall springt ja der Staat ein.
In der Schweiz werden Größenbeschränkungen diskutiert. Schließlich macht in der Alpenrepublik der Bankensektor etwa das Achtfache der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Merkel schwebt vor, den Risikograd von Geschäften einer Bank durch einheitliche internationale Vorgaben zu bewerten: "Je höher zum Beispiel die Risikogeschäfte dieser Bank sind, umso höher muss das Eigenkapital sein, das sich diese Bank zurückbehält." Die Bank könne dann für eigene Risiken einstehen und brauche den Staat nicht als Helfer.
Steinbrück will beim G-20-Vorbereitungstreffen am Freitag und Samstag in London vorschlagen, dass Banken größere Eigenkapitalpuffer aufbauen müssten. Nötig seien globale Spielregeln, um Insolvenz und Abwicklung großer Banken zu erleichtern: "Ohne ein solches Übereinkommen wird der Druck, große Banken in einer Krise sofort mit staatlichen Mitteln zu unterstützen, nicht abnehmen."
Mit Spannung verfolgt die Branche, was in Pittsburgh von den ehrgeizigen Plänen für eine Zähmung der Banken übrigbleibt. Selbst internationale Vereinbarungen entpuppen sich oft als "Papiertiger", wie das Beispiel "Basel II" zeigt. Während die Europäer die strengen Eigenkapitalrichtlinien für Banken längst umgesetzt haben, lassen sich die Amerikaner Zeit und genießen ihre Wettbewerbsvorteile.