Krise abgesagt?

Job-Wunder: 3,4 Millionen haben Arbeit

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Nach Handels- und Tourismusboom gibt es jetzt auch einen Job-Rekord.

2012 wird ein ­hartes Jahr werden. Das ist die Botschaft zahlreicher Wirtschaftsexperten und Regierungschefs zum Jahresstart. Allein, man spürt (zum Glück) noch nicht viel davon. Ganz im Gegenteil. Schaut man in die offiziellen Statistiken, so ist keine Spur von Krise zu ­orten. Und das ist keine Schönfärberei. Damit drängt sich die optimistische Frage auf: Ist die Krise wieder abgesagt? Hier die handfesten Details zu dieser Theorie:

Im Weihnachtsgeschäft 2011 jubelte der österreichische Handel über ein Rekordplus von vier Prozent. Erstmals machte der Handel im Dezember einen Zusatzumsatz von 1,6 (!) Milliarden Euro.

Die Sensationsstimmung setzt sich beim Tourismus fort. Die Hotels sind brechend voll. „Neun von zehn Betten sind belegt“, sagt Sepp Schellhorn, Chef der Hoteliervereinigung. In Lech am Arlberg musste in der Vorwoche der Verkauf der Tageskarten gestoppt werden. Mit 14.000 Karten war das Limit erreicht.

Am Montag überraschte das AMS (Arbeitsmarktservice) mit der nächsten Rekordmeldung: Österreich darf sich über ein neues „Jobwunder“ freuen. Im Dezember 2011 waren 3,405 Millionen Menschen in Arbeit. Das ist ein Plus von 61.000 Jobs im Vergleich zum Dezember 2010. „Damit haben wir die Jobs wieder aufgeholt, die wir durch die Krise 2009 ver­loren haben“, analysiert AMS-Chef Johannes Kopf.

Österreich hat niedrigste Arbeitslosenquote in EU
Österreich hat mit diesem Beschäftigungsrekord die niedrigste Arbeitslosenquote (8,2 %) im EU-Vergleich. Im Bundesländervergleich ist Salzburg Sieger: Hier sind nur 4,5 % arbeitslos. Vor allem die warmen Temperaturen haben im Bau die Arbeitslosenzahlen um sieben Prozent gesenkt. Ebenfalls top: die Industrie; volle Auftragsbücher senken die Arbeitslosigkeit um 3,5 %.

Ähnlich positiv die Stimmung in Deutschland: Hier waren erstmals 41 Millionen Deutsche erwerbstätig. Der beste Wert seit der Wiedervereinigung.
 

AMS-Chef Kopf: "Plus von
 61.000 Jobs"

ÖSTERREICH: Herr Kopf, wo orten Sie die Gründe für die Rekordbeschäftigung?
Johannes Kopf: Wir haben die Menge an Jobs wieder aufgeholt, die wir durch die Krise 2009 verloren haben. So gab es im Dezember ein Plus von 61.000 Jobs, und 3,405 Millionen Menschen waren in Arbeit, aber die Arbeitslosigkeit liegt bei 8,2 Prozent. Ein Plus von 0,8 Prozent.

ÖSTERREICH: Wie kann das sein, dass es mehr Jobs gibt und trotzdem die Arbeitslosigkeit steigt?
Kopf: Weil derzeit mehr Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen. Die Übergangsfristen der neuen EU-Länder sind ausgelaufen. Da kamen 20.000 Arbeits­suchende dazu. Auch mehr Frauen sind derzeit am Arbeitsmarkt.

ÖSTERREICH: 2012 soll die nächste Krise kommen. Wie viele Arbeitsplätze wird die Krise kosten?
Kopf: Wir rechnen mit 10.000 bis 15.000 Arbeitsplätzen.
 

Wirtschaftsforscher Schulmeister im Interview:

ÖSTERREICH: Wir haben eine Rekord-Beschäftigungsrate. Ist die Krise jetzt abgesagt?
Stephan Schulmeister: Das hängt davon ab, wie die Politik in Europa mit der Eurokrise verfährt. Im Grunde wird sich das schon in den nächsten  Wochen entscheiden. Wenn bei den Verkäufen der Staatsanleihen in Italien und Frankreich kein deutlicher Zinsrückgang zu bemerken ist, und somit  alle Versprechungen von neuen Sparpakten in Europa nicht vom Finanzmarkt angenommen werden, wird es kritisch. Dann wird die ganze Eurozone in eine Rezension stürzen und nicht nur die südeuropäischen Länder.

ÖSTERREICH: Bestes Weihnachtsgeschäft, volle Urlaubszentren, gute Industrie-Werte. Sieht die Realwirtschaft besser aus, als es uns die Forscher ständig vorrechnen?
Schulmeister: Nein, wir haben die ganz normalen Verzögerungen. Die momentane Entwicklung ist bei uns und in Deutschland noch gut. Aber: Aus den  Auftragseingängen sehen wir, dass die Wirtschaft deutlich zurück geht. Die Wirtschaft arbeitet derzeit die Aufträge vom Sommer ab. Wir sehen nur die Produktionsdaten, nicht aber die Entwicklungen der Zukunft. Die Auftrageingänge aus dem Herbst zeigen aber, dass die Produktion sinken wird. Das wird in den kommenden Monaten geschehen.   Die Interpretation, wonach das Weihnachtsgeschäft sehr gut war, ist problematisch: Gerade der gute Konsum ist oft getragen von einem gewissen Zukunftspessimismus, frei nach dem Motto, „I verkauf‘ mein Hemd, i fahr in den Himmel‘.

ÖSTERREICH: Wann könnte uns die Krise voll treffen?
Schulmeister: Die Krise war nie überwunden, das war eine Illusion, wir kämpfen damit schon seit fünf Jahren. Die Politik hat bloss mit riesigen Struktur- und Banken-Hilfspakten einen weiteren Einbruch verhindert, ohne, dass die systemischen Ursachen bekämpft wurden. Das erkennt man daran, dass die Spekulation am Geldsektor eher zugenommen, als abgenommen hat. Die Konjunkturpolitik hat ihr Pulver verschossen, wenn jetzt eine Rezession kommt, gibt es keine Massnahmen mehr ausser sparen.  Das ist gut gemeint, aber sicher nicht zielführend, weil es nur die Symptome bekämpft, nicht aber die Ursachen.

ÖSTERREICH: Was sollten getan werden?
Schulmeister: Unternehmerisches Handeln müsste auf allen Ebenen bessergestellt werden,  als Finanzakkrobatik. Gewinnstreben muss die Realwirtschaft antreiben, in den letzten 20 Jahren hat sich aber das Gewinnstreben immer mehr auf die Finanzakkrobatik verlagert.
 

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