Premiere

ÖBB-Railjet fährt auch auf der Südbahn

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Bahn-Insider befürchten allerdings, die Züge könnten überfüllt sein.

Die ÖBB wollen die Südbahn attraktiver machen und setzen seit kurzem den Railjet auch auf dieser Strecke ein. Der als "Premiumzug" beworbene Railjet bedient nun die Verbindungen Wien-Graz und Wien-Villach. Vor drei Jahren war er auf der Westbahn eingeführt worden. "Wir haben ein enormes Potenzial auf der Südbahnstrecke", sagte Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ). ÖBB-Chef Christian Kern verwies auf die "ehrgeizige Südbahnstrategie" der Bundesbahn.

Neue Züge auf alten Gleisen
Auf der Südbahn soll der moderne Railjet Bahnreisen komfortabler machen, für eine Beschleunigung müssen die Fahrgäste aber auf den Infrastrukturausbau durch Semmeringbasistunnel, Koralmtunnel und Pottendorfer Linie warten. Über die historische Bahnstrecke am Semmering können auch die Railjets nicht schneller als 80 km/h fahren, obwohl der Zugtyp die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h erreichen könnte und derzeit für 200 km/h zugelassen ist.

Verkehrsministerin Bures verabschiedete Montagfrüh am Bahnhof Wien-Meidling den "Spirit of Graz", der in der steirischen Landeshauptstadt von Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) und ÖBB-Chef Kern mit einer Zugtaufe feierlich eingeweiht wurde. In Klagenfurt wird der "Spirit of Klagenfurt" vom Kärntner Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) und Kern getauft.

Steirischer Landeshauptmann kritisiert Zugstreichungen
Am Grazer Hauptbahnhof nutzte Voves die Gelegenheit zu einem Plädoyer für die Verbindungen Graz-Salzburg . Von den sieben Verbindungen müssten sechs aufrecht erhalten bleiben, Gespräche darüber laufen. Voves zeigte aber auch Verständnis für die ÖBB, die jetzt durch den Mitbewerber auf der ertragreichen Westbahnstrecke verstärkt auf die Kosten schauen müsse. Die Politik hätte sich vor einer Liberalisierung des öffentlichen Verkehrs Gedanken über die Folgen machen müssen. "In Großbritannien haben Private die Infrastruktur zu Tode gefahren, dann wurde alles wieder an den Steuerzahler übergeben", verwies Voves auf die wieder zurückgenommene Privatisierung der britischen Bahn als Negativbeispiel.

Railjet-Stundentakt nach Graz
Der Railjet soll die Südbahnstrecke deutlich aufwerten, hofft ÖBB-Chef Kern. Während die Südbahn ein Einzugsgebiet von 2,2 Millionen Menschen abdeckt, in etwa ebenso viele wie an der Westbahn, fahren auf der Südbahn bisher nur ein Viertel der Bahnpassagiere der Westbahnstrecke. Das enorme Potenzial für die Schiene im Süden wolle die ÖBB mit modernem Wagenangebot nutzen. Statt auf der Brennerstrecke von München nach Mailand rollen die neuen Railjets also nun auf der Südbahn.

Aus für kroatische und slowenische Speisewagen
Seit Mitte Oktober fahren die ersten Railjets nach Graz, nun wird auch die Verbindung von Wien nach Klagenfurt und Villach aufgerüstet. Bis Mitte 2012 soll der gesamte Fernverkehr Wien-Graz auf einen Railjet-Stundentakt umgestellt werden. Nur zwei Eurocity-Verbindungen von Wien über Graz Richtung Slowenien und Kroatien sowie der Eurocity Graz-Prag werden weiterhin als normale Züge unterwegs sein. Dabei sollen vermehrt moderne ÖBB-Wagen zum Einsatz kommen, auch die Speisewagen werden in Zukunft von den ÖBB gestellt und von è-express bewirtschaftet.

Das bei Stammkunden beliebte kroatische Zugrestaurant im EC "Croatia", der Wien und Zagreb verbindet, wird ab Mitte Dezember nicht mehr eingesetzt, auch der slowenische Speisewagen im EC "Emona" Wien-Ljubljana-Wien wird durch ein österreichisches Bordrestaurant abgelöst.

Bis Mitte 2012 sind 51 Railjets im Einsatz
Die Kärnten-Strecke wird ebenfalls schrittweise auf Railjet umgestellt. Ausgenommen sind internationale Züge und der Autoreisezug von Wien nach Villach. Bis Juli 2012 werden 51 Railjet-Garnituren durch Österreich rollen und dabei auch weiterhin Ziele in Deutschland, Ungarn und der Schweiz ansteuern. Die weiteren 16 ursprünglich von den ÖBB bestellten Railjet-Garnituren wurden vor wenigen Wochen an die Tschechischen Bahnen (ČD) weiterverkauft. Dort sollen sie unter anderem auf der Eurocity-Achse Berlin-Dresden-Prag-Brünn-Wien-Graz sowie von Prag über Brünn nach Bratislava und Budapest eingesetzt werden.

Billigere Premium-Klasse
Der Railjet bietet 408 Sitzplätze in drei Klassen - Economy, First Class und Premium. Die Premium-Klasse wendet sich primär an Geschäftsreisende und soll erhalten bleiben, preislich ist aber eine Annäherung an die First Class geplant. Derzeit muss für den Sitz in dieser Luxusklasse mit mehr Platz und Service ein Aufschlag von 25 Euro auf das First Class-Ticket bezahlt werden, dieser soll auf 15 Euro reduziert werden.

Insider warnen vor Kapazitäts-Engpässen im Railjet
Im Zusammenhang mit dem Railjet-Einsatz auf der Südbahn warnen Bahn-Insider allerdings vor Verschlechterungen für die Fahrgäste: Anders als bei den bisherigen Intercity- und Eurocity-Zügen besteht ein Railjet immer aus sieben Wagen, eine Anpassung der Kapazität an die Nachfrage ist deshalb nur durch den Einsatz von zwei zusammengekuppelten Railjet-Zügen möglich. Dies wird zwar auf der Westbahn bei vielen Zügen praktiziert, auf der Südbahn ist der Einsatz dieser sogenannten Doppelgarnituren laut ÖBB aus "infrastrukturellen Gründen nicht möglich": Die Bahnsteige in einigen Stationen seien dafür zu kurz, so ÖBB-Sprecherin Sarah Nettel zu Money.at

Droht Räumung überfüllter Züge?
Das Fahrgastaufkommen auf der Südbahn ist vor allem am Wochenende und an den Reisewochenenden in den Winter- und Sommerferien sehr hoch. Deshalb fahren im jetzigen Fahrplan einige Intercity- und Eurocity-Züge mit bis zu zehn Waggons, an Spitzentagen auch mehr. Bahn-Insider und Fahrgastvertreter befürchten deshalb massive Überfüllungen bei einzelnen Railjet-Verbindungen. Bereits in der Vergangenheit mussten auf der Westbahn einzelne überfüllte Züge geräumt werden, teils sogar unter Aufbietung der Polizei . ÖBB-Holding-Sprecherin Sarah Nettel sagte dazu auf Nachfrage von Money.at: "Allen Fahrgästen auch künftig einen Sitzplatz zu garantieren ist das Ziel. Auf Basis einer Fahrgastzählung wird zurzeit daran gearbeitet. Die ÖBB empfehlen den Fahrgästen zusätzlich das Service der Sitzplatzreservierung in Anspruch zu nehmen."

Andererseits dürften die sieben Railjet-Waggons bei einigen in Randzeiten fahrenden Züge halbleer über den Semmering zuckeln. Dies wird zusammen mit dem höheren Personalaufwand im Railjet nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Rentabilität führen. Insider befürchten deshalb langfristig eine Ausdünnung dieser schwach nachgefragten Verbindungen. Die ÖBB zerstreuen diese Befürchtungen: "Beim Einsatz des Railjets wird es beim Personalbedarf kaum zu Änderungen kommen", teilte ÖBB-Sprecherin Nettel auf Anfrage mit.

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