Vor den Verhandlungen um höhere Löhne warnt ein Thinktank: Das kann sich Österreich gar nicht leisten.
In wenigen Wochen steht wieder die Herbstlohnrunde an, die traditionell mit den Verhandlungen der mächtigen Metaller beginnt. Arbeitgeber-Organisationen und Gewerkschaften der Arbeitnehmer feilschen darin um Löhne und Arbeitsbedingungen. Oft geht es hitzig zur Sache.
Paukenschlag: Produktivität sinkt seit 2019
Mitten in dieser aufgeladenen Stimmung kommt jetzt eine Analyse des wirtschaftsliberalen Thinktanks Agenda Austria.
Das Ergebnis: Österreichs Wirtschaft verlor in den vergangenen Jahren massiv an Produktivität. Während andere europäische Länder deutliche Zuwächse verzeichneten, sank der reale Output pro Erwerbstätigen in Österreich seit 2019.
Während osteuropäische Länder Produktivitätszuwächse von bis zu 78 Prozent verzeichnen, stagniert Österreich – mit dramatischen Folgen für den Wohlstand.
"Vergleich mit anderen EU-Ländern fällt vernichtend aus"
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Arbeitsproduktivität in Österreich entwickelt sich nur schleppend. In den letzten 20 Jahren ist der reale Output pro Erwerbstätigen in Summe nur um zwei Prozent gestiegen. Und es kommt noch schlimmer: Seit 2019 ist er sogar gesunken, wie die Wirtschaftsforscher der Agenda Austria nachweisen. Selbst Nachbarland Deutschland schneidet deutlich besser ab.
"Der Vergleich mit anderen EU-Ländern fällt vernichtend aus", heißt es von den Ökonomen. Irland führt mit einem Produktivitätswachstum von 39 Prozent seit 2019 und sogar 100 Prozent seit 2005. Osteuropäische Aufsteiger wie Rumänien, Litauen und Polen verzeichnen Zuwächse zwischen 18 und 78 Prozent. Österreich? Liegt mit mageren 2 Prozent fast am Ende der Tabelle – nur Italien und Finnland schneiden noch schlechter ab.
Das oft gehörte Argument, dass die Löhne ruhig kräftig steigen könnten, weil die Produktivität ja ebenfalls steige, hält also nicht, warnen die Experten. Die Lohnstückkosten explodieren seit 2019 stärker als irgendwo sonst in Westeuropa. Und das hat Folgen: „Produktivität ist nicht alles – aber auf lange Sicht ist sie fast alles", wie US-Ökonom Paul Krugman bereits vor Jahren festhielt.
DIESE Faktoren bremsen Österreichs Wirtschaft aus
Doch was steckt hinter dem Produktivitätseinbruch? Agenda Austria-Ökonomin Carmen Treml nennt einen Hauptschuldigen: den Teilzeit-Boom. „Seit Jahren wächst die Zahl der Beschäftigten nurmehr aufgrund der Teilzeit. Die Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen sind stark gesunken und das seit Corona deutlich stärker als anderswo", erklärt die Wirtschaftsexpertin.
Der Grund für die Teilzeit-Explosion liegt auf der Hand: Österreichs Steuersystem bestraft Mehrarbeit massiv. „Wenn bei 100 Prozent mehr Wochenarbeitszeit netto gerade einmal 69 Prozent mehr Lohn übrigbleiben, muss sich niemand wundern, dass die Menschen immer weniger arbeiten", kritisiert Treml das aktuelle Steuersystem scharf.
Die Daten der Agenda Austria basieren auf Eurostat-Zahlen und vergleichen die Entwicklung vom ersten Quartal 2005 und 2019 bis zum ersten Quartal 2025. Besonders alarmierend: Selbst im Vergleich zu westeuropäischen Nachbarn wie Frankreich und den Niederlanden (jeweils 7 Prozent Wachstum seit 2005) fällt Österreich zurück.
Dramatische Folgen für Österreichs Wohlstand
Die Konsequenzen der Produktivitätskrise sind weitreichend. Ohne Produktivitätswachstum fehlt die Grundlage für nachhaltige Lohnerhöhungen. Die steigenden Lohnstückkosten untergraben zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen – ein Teufelskreis, der den Wirtschaftsstandort langfristig schwächt.
Wirtschaftsexperten fordern nun dringend Reformen: Eine Entlastung des Faktors Arbeit durch Steuersenkungen, Anreize für Vollzeitarbeit und Investitionen in Digitalisierung und Automatisierung stehen ganz oben auf der Agenda. Ohne entschlossenes Gegensteuern droht Österreich im europäischen Produktivitätsranking weiter abzurutschen.