Insgesamt 2,15 Mio. Zuschauer haben die ORF-"Sommergespräche 2009" verfolgt. Rund 30 Prozent des österreichischen TV-Publikums sahen - zumindest kurz - eines der fünf "Sommergespräche", im Schnitt hatten die Interviews 424.000 Seher und einen Marktanteil von 20 Prozent in den Kabel- und Satellitenhaushalten.
Inhaltlich fällt die Bilanz der "Sommergespräche" gemischt aus. Während man in der Fernsehinformation zum Konzept steht, sind von Politik und Experten kritische Töne zu hören. Rundum zufrieden zeigte sich am 9.9. TV-Chefredakteur Karl Amon. "Die 'Sommergespräche' haben beim Publikum ein erfreulich hohes Maß an Aufmerksamkeit erreicht", erklärte er in einer Aussendung. "Alle Gespräche waren spannend, und das Konzept mit den Künstlerinnen und Künstlern hat sich bewährt."
Kritische Stimmen sehen das anders. Das Setting der "Sommergespräche" etwa stand heuer unter keinem guten Stern. Moderatorin Ingrid Thurnher und die Grüne Maria Vassilakou wurden zum Auftakt der Gesprächsrunde in Mörbisch fast vom Winde verweht und hatten gegen Ende der Sendung auch noch gegen Regen zu kämpfen, und BZÖ-Obmann Buchner war wegen des Glockengeläuts am Salzburger Domplatz mehrere Minuten kaum zu verstehen.
Der Sport- und Freiluft-erprobte Regisseur Fritz Melchert blieb dennoch drauf. FPÖ-Chef Heinz Christian Strache berichtete über Tonprobleme und eine Sendeunterbrechung, von der zumindest die Zuseher wenig mitbekamen. Bei ÖVP-Chef Josef Pröll sorgte lediglich am Ende der Sendung ein Hubschrauber für kurze Störgeräusche, ansonsten blieb das Gespräch mit dem Vizekanzler pannenfrei.
Standortwechsel für Faymann
Das Kanzlerbüro war ob dieser Serie alarmiert und warnte bereits vor zwei Wochen in einem Mail an die Fernsehinformation vor "schlechter, dilettantischer und liebloser Organisation", die SPÖ-Chef Werner Faymann zur Lachnummer degradieren würde. Man fürchtete auf der Bregenzer Seebühne Wetterkapriolen und quakende Enten. Nachdem der ORF in Aussendungen und TV-Trailern tagelang die Seebühne als Interviewort angekündigt hatte, wechselte man am 8. September plötzlich doch ins Festspielhaus, wo das Faymann-Gespräch mit Blick auf See und Bühne im Hintergrund eingespielt wurde.
FPÖ, BZÖ und Grüne sprachen deshalb von einem "Skandal" und einer "Dankabstattung" der ORF-Führung an die SPÖ. Informationsdirektor Elmar Oberhauser erklärte hingegen, dass das "Sommergespräch" mit dem Kanzler "dort stattgefunden hat, wo es von Anfang an geplant war. Der ORF reagiert nicht auf Zurufe der Politik." Als "schamlose Unwahrheit" bezeichneten dies Vertreter der Opposition.
"Man muss Journalisten ranlassen"
Für Diskussionen sorgte aber auch die Teilnahme der verschiedenen Künstler von Erika Pluhar über Monica Weinzettl bis Stefan Ruzowitzky. Sie gelten als Könner ihres Metiers, im journalistischen Fach ist freilich keiner von ihnen zu Hause. "Die journalistische Kompetenz wurde an Unbedarfte abgegeben. Die journalistische Kompetenz ist aber das einzige, was uns von anderen unterscheidet. Das darf man nicht machen", meinte denn auch ein früherer ORF-Direktor.
Ähnlich der ehemalige Kanzlersprecher und Kommunikationsberater Josef Kalina: "Man muss Journalisten ranlassen." Kalina würde sich insgesamt "mehr Inhalt und weniger Inszenierung wünschen - nur an den schönsten Kulissen sieht man sich auch satt". Dass die "Sommergespräche" heuer auch wenig an Nachrichtenwert hergegeben haben, sieht der frühere SPÖ-Kommunikator hingegen als Versäumnis der interviewten Politiker. Diese seien ohne vorbereitete "Geschichten" in die Interviews gegangen. Vom Faymann-Gespräch schaffte es am Tag danach gerade noch das Harmoniebedürfnis des Kanzlers in die Morgennachrichten der ORF-Radios.
Den Zuschauern dürfte das aber ohnehin egal gewesen sein. Die Quoten der "Sommergespräche 2009" lagen nämlich relativ stabil bei jenen des Jahre 2007 (2008 gab es wegen des Nationalratswahlkampfs keine "Sommergespräche"). Die meisten Seher, nämlich 513.000, hatte heuer FPÖ-Chef Strache. ÖVP-Obmann Pröll kam auf 485.000 und SP-Kanzler Faymann auf 437.000 Zuschauer.