Klimagipfel: Verhandlungen stocken erneut

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Unmittelbar vor dem Eingreifen von US-Präsident Barack Obama sind die Verhandlungen beim Kopenhagener Weltklimagipfel wieder ins Stocken geraten. In einer nächtlichen Verhandlungsrunde auf den 18. Dezember gelang es Unterhändlern einer Kerngruppe der wichtigsten Staaten und Regionen nicht, wenigstens eine grobe Linie in die wichtigsten Streitpunkte zu bringen. Sichtlich gestresst verließen Minister und Delegierte in den frühen Morgenstunden den Verhandlungssaal im Kongresszentrum.

Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt sagte dem Fernsehsender SVT: "Die Lage ist sehr ernst". Es gebe eine Gruppe beim Gipfel, die sich "nicht konstruktiv" verhalte und verwies auf Schwellenländer wie China und Indien. Auch die USA hätten "nicht genug getan", sagte Reinfeldt unmittelbar vor einem weiteren Sondertreffen der Kerngruppe, in der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mitverhandelt.

Obama soll bereits am Vormittag zu den Delegierten aus 192 Staaten sprechen und danach mit Chinas Regierungschef Wen Jiabao über die tiefen Meinungsverschiedenheiten zwischen Washington und Peking beim Klimaschutz sprechen.

Miese Stimmung

Die Stimmung bei dem Mammuttreffen mit mehr als 10.000 Delegierten sei schlecht, hieß es aus Verhandlungskreisen. Die Kerngruppe von gut zwei Dutzend Spitzenpolitikern soll eine politische Erklärung für die Plenums-Verhandlungen des Weltklimagipfels erarbeiten. "Wir brauchen die Zustimmung jeder einzelnen Delegation", betonte Japans Premierminister Yukio Hatoyama. Ziel war eigentlich die Einigung auf die wichtigsten Eckpfeiler eines Weltklimaabkommens, das von 1. Januar 2013 an das Kyoto-Protokoll ablösen soll.

Noch gegen Mitternacht hatte sich die Stimmung beim Klimagipfel vorübergehend gebessert, als sich nach einem Gala-Essen bei Königin Margrethe II die Gruppe aus Staats- und Regierungschefs aus verschiedenen Kontinenten auf Initiative der EU zu einem improvisierten "Mini-Gipfel" traf.

Zu den Teilnehmerländern gehörten neben Deutschland und anderen maßgeblichen EU-Ländern auch Südafrika, Japan, Australien, und für die vom Klimawandel besonders hart betroffenen Länder Bangladesch und der Inselstaat Malediven. Die USA waren durch Außenministerin Hillary Clinton vertreten. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nahmen am nächtlichen Kopenhagener Mini-Gipfel teil. Dagegen fehlte Chinas Regierungschef Wen Jiabao.

Durchgemacht für nichts

Norwegens Regierungschef Jens Stoltenberg sagte: "Wir haben die ganze Nacht gearbeitet und trotzdem gibt es keine Lösung." Zwar habe ein guter Ton und ein guter Wille geherrscht, aber man sei "eigentlich nicht weitergekommen". Er fürchte, dass es kein Abkommen geben werde.

Reinfeldt sagte, die Gespräche hätten sich vor allem auf die Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes konzentriert. Zudem sei es um die Frage gegangen, wie den vom Klimawandel besonders stark getroffenen Entwicklungsländern kurzfristige und langfristige Finanzhilfen garantiert werden könnten. Reinfeldt zeigte sich zuversichtlich. "Es ist noch nicht vorbei", sagte er. "Es war ein sehr konstruktives Treffen."

"Wir arbeiten dran", erklärte der US-Klimaunterhändler Todd Stern. Obamas Sprecher Robert Gibbs machte klar, dass es aus Sicht Washingtons besser sei, auf der Mammutkonferenz kein Ergebnis zu erreichen, als eine inhaltslose Übereinkunft.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hält eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad für die wichtigste Messlatte des Gipfels. "Gelingt das nicht, dies für alle als geltende Verpflichtung zu erreichen, (...) ist die Klimakonferenz in Kopenhagen gescheitert", sagte Merkel im deutschen Bundestag vor ihrer Abreise.

Obama wieder einmal letzter Hoffnungsträger

Kanzler Faymann setzt seine Hoffnungen wie viele Andere auf den US-Präsidenten: Wenn dieser zu den finanziellen Hilfen der USA "ein konkretes Angebot" auf den Tisch lege, werde dies wohl eine "Sogwirkung" haben, meinte der Kanzler am Rande der Gespräche zu APA und ORF. Die Ankündigung von Außenministerin Hillary Clinton, sich an insgesamt 100 Mrrd. Dollar schweren Ausgleichszahlungen an ärmere Länder zu beteiligen, sei "ein guter Anfang" gewesen.

Faymann plädierte dafür, ein Abkommen in Kopenhagen zuwege zu bringen und schloss sich dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy an, der gemeint habe, "wir sind die letzte Generation, die das entscheiden kann". Man habe jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, sagte Faymann. Auch er pochte auf die Verhandlungsposition der EU: Das Ziel, bis 2020 eine 20-prozentige Reduktion von Treibhausgasen zu erreichen, stehe. "Wenn es gelingt, mit anderen etwas zustande zu bringen, dann werden wir auf 30 Prozent erhöhen."

Auch für Umweltminister Berlakovich ist noch kein Ende absehbar: "Es ist work in progress", sagte Berlakovich. Er zeigte sich aber optimistisch über den Fortgang des Gipfels: Es gebe ein neues Verhandlungsmoment, auch durch die Signale der USA: "Die Maschinen sind voll angelaufen."

Insgesamt ringen mehr als 10.000 Delegierte um ein Abkommen, um die gefährliche Erderwärmung auf 2 °C zu deckeln. Alles darüber hinaus wird dem Weltklimarat IPCC zufolge nicht mehr beherrsch- und finanzierbar.

USA spricht mit China

Letzte Hoffnungen für einen Endspurt bei der Klimakonferenz ruhten auf einem geplanten Gespräch zwischen Obama und Wen. Der Streit zwischen China und USA sowohl über Verminderungen von Treibhausgas-Emissionen wie auch über deren Kontrolle und Finanzhilfen an ärmere Länder war seit Beginn der Klimakonferenz vor fast zwei Wochen einer der wichtigsten Hindernisse für eine Einigung.

Washington verlangt von Peking Zusagen für die internationale Kontrolle von Klimazielen, was China bisher grundsätzlich ablehnt. Allerdings zeigte der chinesische Delegationsleiter He Yafei guten Willen. "Wir versprechen, unsere Aktionen überprüfbar zu machen", sagte er. Jede internationale Überprüfung müsse aber "auf freiwilliger Basis" erfolgen, niemand dürfe Chinas Souveränität gefährden.

Den Plan, am 18.12. einen rechtsverbindlichen Klimavertrag zu beschließen, der am 1. Jänner 2013 das Kyoto-Protokoll ablösen und diesmal auch für die USA sowie alle Schwellen- und Entwicklungsländer gelten könnte, hat die Staatengemeinschaft angesichts der stockenden Vorverhandlungen schon vor Monaten aufgegeben. Stattdessen soll ein politisch verbindliches Abkommen unterzeichnet werden, das aber bereits die wichtigsten Auflagen für jedes Land enthalten und in den Folgemonaten zum Vertrag weitergesponnen werden sollte.

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