Vertragsloser Zustand

Selbständige Patienten werden zur Kasse gebeten

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Mit 1. Juni droht ein mehrmonatiger vertragsloser Zustand zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung der Gewerbetreibenden (SVA).

Leidtragende sind die pflichtversicherten Patienten: Sie werden für die Behandlung bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten selbst zahlen müssen. Erst nachträglich können die Rechnungen bei der SVA eingereicht werden, rückerstattet werden höchstens 80 % der Rechnungssumme.

Gestern waren die Vertragsverhandlungen zwischen Ärztekammer und SVA gescheitert - Mehr dazu hier.

Ärzte verlangen nun um ein Fünftel mehr

De facto werden die Versicherten aber noch weniger zurückbekommen, denn die Ärztekammer hat ihre Tarifempfehlungen für den vertragslosen Zustand bereits um 20 % heraufgeschraubt. Ein Beispiel: Für die Erstbehandlung verlangt der praktische Arzt künftig 19,26 Euro.

Der bisherige SVA-Tarif beträgt 16,69 Euro, 80 % davon sind 13,35 Euro. Die Patienten müssen also für 5,91 Euro selbst aufkommen, sie bekommen in Wirklichkeit nur 69,3 % ihrer Kosten zurück.

Ein Ausstieg aus der Krankenversicherung ist für die Patienten nicht möglich. Sie müssen auf jeden Fall die vollen Versicherungsbeiträge weiter zahlen, auch wenn sie anteilsmäßig weniger als bisher zurückbekommen. Für Fragen der Patienten hat die SVA unter 050808-3000 eine Telefonhotline eingerichtet, Infos gibt es auch unter sicherzumarzt.at bzw. sva-vertragsfreie-zeit.at.

Zahllose Ausnahmen

Der vertragslose Zustand - es wäre der erste seit 1962 - betrifft Behandlungen bei niedergelassenen Allgemeinmedizinern und Fachärzten, nicht aber bei Zahnärzten, Physio-, Ergo- und Logotherapeuten, Instituten, Bandagisten und Apotheken. Auch Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind nicht betroffen. Sozial Bedürftige, etwa Personen mit Rezeptgebührenbefreiung, bekommen immerhin 100 % des alten SVA-Tarifs zurück.

Ambulatorium als Ausweichmöglichkeit

Wer sich das Vorauszahlen beim Arzt nicht leisten kann, kann in ein Ambulatorium mit SVA-Vertrag ausweichen, sich von der Versicherung einen direkt verrechnenden Arzt nennen lassen oder aber einen Arztkostenvorschuss von 200 Euro pro Quartal beantragen. Wer auch noch bei einer anderen Kasse versichert ist, hat Glück gehabt, die Abrechnung erfolgt dann direkt über diesen Versicherungsträger.

Zwar ist die SVA im Vergleich mit der Gebietskrankenkasse eine relativ kleine Kasse, unmittelbar betroffen sind dennoch österreichweit 410.000 Personen, die ausschließlich bei der Gewerbeversicherung versichert sind und schon jetzt mit 20 % Selbstbehalt belastet sind. Laut Ärztekammer benötigen SVA-Versicherte jährlich 3,6 Mio. Mal vertragsärztliche Betreuung, jeder Versicherte geht durchschnittlich 5 Mal pro Jahr zum niedergelassenen Haus- oder Facharzt. Die jährliche Ärztehonorarsumme beträgt 138 Mio. Euro.

Weiterhin versucht die SVA die Situation zu entschärfen: Sie hat allen niedergelassenen Ärzten angeboten, ihre Leistungen auch in Zukunft über die E-Card zu verrechnen. Als Anreiz bietet man eine vierprozentige Erhöhung der Honorare. Die Ärztekammer hat dazu bereits Ablehnung signalisiert. Immerhin wollen die Ärzte Rückerstattungsformulare auflegen und auch beim Ausfüllen helfen.

Zur Behandlung auf die Spitalsambulanzen auszuweichen, ist übrigens keine ideale Lösung: Grundsätzlich seien diese nur für Notfälle zuständig, so der Hauptverbands der Sozialversicherungsträger. In allen anderen Fällen ist eine Überweisung eines Allgemeinmediziners oder eines Facharztes notwendig - dafür müsse nichts bezahlt werden.

Allerdings könne es durchaus passieren, dass man trotz Überweisung von der Ambulanz abgewiesen wird, weil es sich nicht um einen Notfall handelt - etwa, wenn man lediglich eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen will.

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