Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker meint: Unabhängig von Griechenlands Schuldenkrise müssten Werkzeuge entwickelt werden, um auf ähnliche Situationen reagieren zu können.
"Das ist aber nicht für übermorgen und es ist auch nichts, was innerhalb von Wochen umgesetzt werden kann." Dies betreffe auch den Vorschlag des belgischen Ministerpräsidenten Yves Leterme, ein gemeinsames Finanzministerium oder eine Schuldenagentur für die Eurozone zu schaffen.
Leterme hatte in einem Gastbeitrag für die "Financial Times Deutschland" vorgeschlagen, eine Europäische Schuldenagentur solle sich um die Ausgabe und Verwaltung der Regierungsschulden der Eurozone kümmern. Juncker wies nun darauf hin, dass er bereits vor drei Jahren gemeinsame Euroanleihen ins Gespräch gebracht habe, Deutschland und Frankreich den Vorschlag jedoch zurückgewiesen hätten.
Mit Blick auf die derzeitige Schuldenkrise Griechenlands sagte Juncker, die Regierung in Athen habe weder um finanzielle Hilfe gebeten noch erwäge sie, dies zu tun. Das griechische Konsolidierungsprogramm sei glaubwürdig genug. Er hoffe, dass die Finanzmärkte dies zur Kenntnis nehmen würden, so dass es nicht zu irrationalen Schwankungen an den Märkten kommen werde, fügte der Eurogruppen-Chef hinzu.
Euro hat sich in der Krise bewährt
Die deutsche Kanzlerin Merkel hat erneut deutsche Finanzhilfen für Griechenland als nicht notwendig bezeichnet. Der griechische Ministerpräsident Papandreou habe nicht nach Finanzhilfen nachgesucht, sagte Merkel nach einem Treffen mit dem griechischen Regierungschef in Berlin.
Der Euro habe sich in der Krise bewährt, die Stabilität des Euro-Raums sei nicht in Frage gestellt und deshalb stelle sich auch die Frage nach direkter Finanzhilfe nicht, betonte die Kanzlerin. Sie sei zuversichtlich, dass dies auch in Zukunft so bleiben werde. Gemeinsam werde man auch künftig die Stabilität der Gemeinschaftswährung im Auge behalten. Auch Papandreou betonte, es gehe in der gegenwärtigen Krise nicht darum, Finanzhilfe zu erbeten.
Merkel begrüßte das griechische Sparpaket zur Überwindung der Krise als große Kraftanstrengung, die mit großem Respekt im übrigen Europa gewürdigt werde. "Griechenlands Reformen sind ein außerordentlich wichtiger Schritt zur Überwindung der Krise", sagte Merkel. Erneut plädierte die Kanzlerin für die Einschränkung bestimmter spekulativer Marktinstrumente wie CDS. Dies könne aber nur global und mit Unterstützung auch der USA geschehen.
Griechenland ist derzeit das Sorgenkind der Euro-Zone und sieht sich wegen seines enormen Staatsdefizits massivem internationalen Druck ausgesetzt. Der Mittelmeeranrainer hatte am Mittwoch zusätzliche Sparmaßnahmen angekündigt und sich einen Tag später mit der erfolgreichen Platzierung einer Anleihe wieder etwas Luft verschafft.
Athen will keine Finanzhilfen
Griechenland will nach den Worten Junckers kein Geld von seinen Partnern der Eurozone. "Griechenland trägt sich nicht mit dem Gedanken, sich in Sachen Finanzhilfe an die anderen Euro-Staaten zu wenden...". Das Land sei hingegen "sehr dezidiert der Auffassung, dass das vorgelegte Konsolidierungsprogramm ausreicht, um in innergriechischen Entscheidungsverfahren im Jahr 2010 eine Absenkung des gesamtstaatlichen Defizits um vier Prozentpunkte zu erreichen", sagte Juncker.
Juncker: "Tatsache ist aber, dass es bei dem Beschluss der (EU-)Staats- und Regierungschefs bleibt, dass wenn notwendig, geeignete Maßnahmen in koordinierter Form getroffen werden, um die Finanzstabilität im Euroraum sicherzustellen." Griechenland hat rund 300 Mrd. Euro Schulden; die Schuldenkrise bedroht die Stabilität des gesamten gemeinsamen Währungsgebiets mit 16 Ländern.
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hält die Einschaltung des IWF für die sinnvollste Sofortmaßnahme, um Griechenland zu helfen. Der IWF habe "viel Erfahrung mit der Rettung gefährdeter Länder", schreibt Sinn in einem Gastbeitrag für das Magazin "Wirtschaftswoche". Anders als es die EU je könnte, "setzt der IWF einen strikten Sparkurs durch und zahlt sein Geld nur in Tranchen nach dem Erfolg der Sparanstrengungen". Die politischen Widerstände gegen IWF-Hilfen an Griechenland kann Sinn daher nicht nachvollziehen. Wenn die Einschaltung des IWF "die Eitelkeiten der EU-Politiker verletzt, ist das deren Problem."
Warnung vor Paradigmenwechsel
Die EU zur Entschuldung Griechenlands einzuschalten, wäre hingegen laut Sinn "ein fundamentaler Paradigmenwechsel, den die großen EU-Länder nicht ohne ein Neuverhandlung des Vertrags von Lissabon mit einer Änderung der Stimmengewichte im EU-Parlament und Ministerrat zulassen dürfen". Sinn warnt: "Wenn die jetzige EU erst einmal das Mandat erhält, Vermögen in Europa umzuverteilen, dann wird es kein Halten mehr geben. Da die gefährdeten Staaten, zu denen neben Griechenland auch Portugal, Spanien, Irland, Belgien und Italien gehören, bei EU-Entscheidungen mit abstimmen, sind massive Vermögensverluste für Deutschland programmiert."
Sinn konkretisierte in seinem Beitrag seine Forderung, Griechenland solle notfalls die Währungsunion verlassen. Das zentrale Problem Griechenlands sei das "gigantische Leistungsbilanzdefizit von zuletzt knapp 14 % des BIP." Um das Defizit zu beseitigen, müsse Griechenland abwerten, nur so könnten die Importe reduziert und die Exporte gestärkt werden.
"Das Land kann innerhalb der Euro-Zone aber nur abwerten, indem es seine Löhne und Preise senkt. Das würde Mord und Totschlag bringen, weil sich jede Gruppe, bei der die Kürzungen anfangen, radikalisiert", sagte Sinn. So bleibe "nur die offene Abwertung durch den Austritt aus der Euro-Zone, gekoppelt mit einem Schuldenmoratorium, das die Ansprüche der Gläubiger kürzt. Die Verluste der deutschen Banken wären ein Klacks im Vergleich zu den Lasten eines europäischen Finanzausgleichs."
IWF-Chef: Keine Ausweitung der Krise
Der IWF hat indes eine Ausweitung der Griechenland-Krise auf andere hochverschuldete Länder der Euro-Zone als unwahrscheinlich bezeichnet. Marktspekulationen, Staaten wie Portugal, Spanien oder Irland könnten Probleme mit ihrem Schuldendienst bekommen, seien Panikmache, sagte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn in Nairobi. "Man kann der Liste alle Länder in der Euro-Zone hinzufügen, um zu versuchen, den Menschen vor allem Angst zu machen", fügte er hinzu. "Ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird."
Strauss-Kahn betonte, es gebe ausschließlich mit Griechenland ein Problem, aber bisher nicht mit Spanien. Mit dem Griechenland-Problem müsse sich die Euro-Zone befassen, was sie auch tue. "Niemand weiß, was morgen früh passiert, aber es gibt keinen Grund, warum Portugal oder Spanien angesteckt werden sollten."
Er sei zuversichtlich, dass die Euro-Zone die Probleme Griechenlands selbst bewältigen könne, sagte der IWF-Chef weiter. Dass der Internationale Währungsfonds über die gegenwärtige Art von technischer Hilfe für die Regierung in Athen hinaus tätig werden müsse, glaube er nicht. "Wenn etwas mehr gebraucht wird, werden wir bereit sein, es zu tun. Aber bis jetzt glaube ich, dass die Europäer in der Lage sein werden, mit dem Problem fertig zu werden", sagte Strauss-Kahn.
Gespräche über Finanzmarktspekulationen
Vor dem Hintergrund der Schuldenkrise in Griechenland haben Experten von Aufsichtsbehörden, Hedgefonds, Banken und Ratingagenturen in Brüssel über Finanzmarktspekulationen beraten. Es sei ein Treffen auf "technischer Ebene" gewesen und es wurden keine Schlussfolgerungen der Debatte gezogen, sagte die Sprecherin von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Freitag.
Ein Thema der Begegnung waren oft undurchsichtige Absicherungsgeschäfte über Finanzprodukte (Credit Default Swap/CDS). Damit werden Ausfallrisiken von Anleihen oder Krediten gehandelt. Der CDS-Markt soll Spekulationen gegen das finanzschwache Griechenland verstärkt haben. Investoren sollen dabei von Spekulationen auf das Risiko der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands und einer selbst geschaffenen Panikwelle profitiert haben.
Die EU-Kommission nahm zu den Vorwürfen gegen CDS in der Sache keine Stellung. Es gehe derzeit noch darum, Fakten zu sammeln, sagte die Sprecherin. Von dem Treffen erhoffe man sich Anregungen für die Ausarbeitung einer neuen EU-Richtlinie für Derivate, die Barnier bis Ende des Jahres vorlegen will.