Ratingagenturen nach Herabstufung Athens in Kritik

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Nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands auf Ramsch-Status und den dadurch ausgelösten Schockwellen an den weltweiten Börsen geraten nun die Ratingagenturen unter Beschuss. Vor allem der Zeitpunkt der drastischen Ratingsenkung stößt auf harsche Kritik.

"Es ist durchaus fragwürdig, ob das Timing glücklich gewählt ist. Standard & Poor's hätte gut daran getan, zu warten bis alle Fakten auf dem Tisch liegen", sagt der Chefvolkswirt von HSBC Trinkaus und Burkhardt, Stefan Schilbe. Nur wenn klar sei, welche Sparmaßnahmen Griechenland zur Bereitstellung der Milliardenhilfen leiste, könne die Bonität des hoch verschuldeten Landes richtig beurteilt werden, moniert der Ökonom.

So könne sich das Problem für Griechenland noch verschärfen, weil bei einer starken Herabstufung institutionelle Investoren wie Versicherer oder Pensionskassen Anleihen des Landes nicht mehr in ihren Depots halten dürfen. "S&P muss sich den Vorwurf gefallen lassen, in einem illiquiden Markt diese Prozesse noch verschärft zu haben", sagt Schilbe. Eine Rettungsaktion könne dadurch noch teurer werden. Die Hellenen sollen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und den Euro-Ländern Hilfen von bis zu 45 Mrd. Euro bekommen.

Arbeit "verantwortungsvoll erledigen"

Auch die EU-Kommission hat am 28. April die Ratingagenturen ermahnt. Diese müssten ihre Arbeit "verantwortungsvoll erledigen", sagte die Sprecherin von Finanzregulierungskommissar Michel Barnier, Chantal Hughes, in Brüssel. Die Ratingagentur S&P hatte die griechischen Staatsanleihen am Montag auf "Junk" herabgestuft. Hughes betonte, die Kreditwürdigkeit Griechenlands müsse auf Basis des zugesagten Rettungspaketes und des Athener Konsolidierungsprogramms bewertet werden.

Scharfe Kritik an der Herabstufung kommt auch vom Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Schon seit längerem müsse jedem Beobachter klar sein, dass die Sanierung der griechischen Staatsfinanzen "keine Kurzgeschichte" sei, sagt er im "Handelsblatt". "Das Handeln der Ratingagenturen überzeugt hier ebenso wenig wie in der Finanzkrise 2008 und 2009." Damals war den führenden Agenturen - Standard & Poor's (S&P), Fitch und Moody's - vorgeworfen worden, sie hätten bei der Risikoeinschätzung von komplexen Wertpapieren versagt und Investoren in falscher Sicherheit gewiegt. Dadurch habe sich die weltweite Finanzkrise noch verschlimmert.

S&P hatte am 27. April überraschend die Note für Griechenland um drei Stufen auf "BB+/B" zurückgenommen. Die Analysten haben Zweifel, dass das hoch verschuldete Land die zur Sanierung notwendigen Reformen durchsetzen kann. Seit Wochen lähmen Streiks das öffentliche Leben dort. Auch Portugal drückte S&P einen schlechteren Stempel auf. Für die Länder bedeutet das, dass die Geldbeschaffung an den Kapitalmärkten noch teurer wird als sie ohnehin schon ist.

S&P widerspricht dem Vorwurf, zu spät auf die Probleme der Hellenen reagiert zu haben. Bereits 2004 hätte S&P damit begonnen, das Griechen-Rating herunterzunehmen. "Das Rating für Griechenland war immer das niedrigste unter den Ländern der Euro-Zone", betont Kreditanalyst Moritz Krämer.

Dilemma bei Zeitpunkt der Neubewertung

Fitch-Deutschland-Geschäftsführer Jens Schmidt-Bürgel räumt jedoch ein, dass die Agenturen grundsätzlich im Dilemma stecken, was den Zeitpunkt einer Neubewertung betrifft. "Wir können es nie allen recht machen, weil Investoren unterschiedliche Interessen haben. Während die einen kritisieren, dass wir zu langsam auf Entwicklungen agieren, sagen andere, wir würden viel zu schnell herunterstufen und damit wie Brandbeschleuniger wirken", verteidigt er sich. Fakt sei, wenn sich die Lage von Staaten oder Firmen überraschend verändere, müssten die Agenturen darauf mit einer Ratingaktion reagieren.

Rückendeckung für die Herabstufungen erhalten die Agenturen von Wirtschaftsprofessorin Christina Bannier von der Frankfurt School of Finance. "Es hilft niemandem, wenn die Ratingagenturen bescheinigen, dass die Situation in Griechenland nicht so schlimm ist, sich am Ende aber möglicherweise ein Staatsbankrott doch nicht vermeiden lässt", sagt sie. Auch Portfoliostratege Gunnar Stangl von der Commerzbank ist sich sicher, dass Fitch & Co. genau wissen, was sie mit den Aktionen bewirken. "Sie handeln nach vorgegebenen Kriterien, die seit Jahren gelten. Mit ihren Einstufungen reflektieren sie die wirklichen Zustände, sie denken sich das ja nicht einfach so aus", sagt er.

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