Siemens-Chef Peter Löscher ist Spekulationen entgegengetreten, dem Unternehmen stehe ein erneuter groß angelegter Stellenabbau bevor. "Es geht nicht um ein weiteres konzernweites Programm", sagte Löscher zur "Welt am Sonntag". Allerdings werde Siemens Stellen streichen müssen.
"In einzelnen Geschäftsbereichen oder an bestimmten Standorten gibt es Anpassungsbedarf aufgrund der Krise, deren Heftigkeit weit über einen normalen Konjunkturzyklus hinausgeht. Da ziehen wir natürlich notwendige Konsequenzen." Die Krise habe bei Siemens zu Strukturverwerfungen geführt, sagte Löscher. "Wir haben Geschäfte, die beim Auftragseingang um bis zu 70 % eingebrochen sind. Da kann man nicht die Hände in den Schoß legen und zuschauen."
Im Sommer 2008 hatte Löscher bereits den Abbau von weltweit 17.000 Arbeitsplätzen in der Verwaltung und dem Vertrieb angekündigt. Bei dem Konzern sind aktuell 409.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon rund 128.000 in Deutschland.
Löscher verteidigte gegenüber dem Blatt ausdrücklich das Modell der Mitbestimmung in Deutschland und verwahrte sich gegen eine Lockerung des Kündigungsschutzes. "Für mich ist die Mitbestimmung ein Standortvorteil Deutschlands", sagte der gebürtige Villacher. "Wir haben keinerlei Anlass, Mitbestimmung oder Kündigungsschutz in Deutschland infrage zu stellen." Nach dem Wahlsieg von CDU/CSU und FDP hatte es entsprechende Forderungen aus der Wirtschaft gegeben.
Vorsicht regiert
Der Siemens-Chef dämpfte zugleich Hoffnungen auf eine rasche Erholung der Wirtschaft. "Es gibt sicherlich eine Bodenbildung." Allerdings sei die Industrieproduktion in der Krise viel stärker eingebrochen als die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. "Bis wir wieder Kapazitätserweiterungen und die Wachstumsraten der Boomjahre 2007 und 2008 sehen, wird es noch lange dauern."
Im Streit um Schadenersatzforderungen gegen den früheren Vorstand wegen der Korruptionsaffäre ergriff Löscher erstmals das Wort. Für ihn sei unverständlich, wenn behauptet würde, Siemens sei kein Schaden entstanden. "Ungeklärte Geldabflüsse, Strafzahlungen und Kosten für die Aufklärung waren enorm", sagte Löscher.
"Dieses Geld hätten wir ansonsten zum Beispiel in die Forschung und Entwicklung neuer Produkte investieren können oder in die Ausbildung unserer Mitarbeiter. Ganz zu schweigen vom Imageschaden, der dem Konzern entstanden ist." Der langjährige Siemens-Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer, von dem der Konzern 6 Mio. Euro Schadenersatz verlangt, hatte laut WamS kürzlich öffentlich in Zweifel gezogen, dem Konzern durch sein Verhalten geschadet zu haben.