Slowakische Politiker verdienen an Medienprozessen

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Slowakische Politiker und Richter verdienen an Klagen gegen Medieninhaber mehr, als Opfer von Unfällen und Straftaten an Entschädigungen erhalten. Das schreibt die tschechische Wochenzeitschrift "Tyden" in ihrer aktuellen Ausgabe. Der Dauerzwist vor Gericht könnte die slowakischen Medien in den Bankrott führen, heißt es weiter. Als einen von derartigen Fällen nennt Tyden den Streit des slowakischen Regierungschefs Robert Fico mit dem Boulevard-Wochenblatt "Plus 7 dni", bei dem der Premier 66.000 Euro Entschädigung erhielt.

Als eine Redakteurin und ein Fotograf des Blattes vor Ficos Haus auf dem Premier warteten, um ihn beim Einstieg in seinen neuen Volvo zu sehen, hatte Fico die Journalisten offenbar als "Dreckige Miststücke" beschimpft. "Plus 7 dni" beschrieb die Szene in einem Artikel und fügte hinzu, dass der Regierungschef die Nerven verliere. Vor Gericht bestritt der Premier die Aussage. Obwohl die beiden Journalisten an ihren Darstellungen festhielten, gab das Gericht dem Premier Recht. Laut Tyden handelt es sich bei der festgesetzten Summe um fast zwei Jahresgehälter des Regierungschefs. Fico trägt demnach mit demselben Verlagshaus zehn weitere derartigen Gefechte vor Gericht aus.

Ein weiterer Fall, den Tyden auflistet, ist der des Höchstrichters Stefan Harabin, der bis Juni drei Jahre lang Justizminister war. Im Jänner erhielt er Schadensersatz in Höhe von 31.000 Euro von "Plus 7 dni" und weitere 33.000 Euro von der Tageszeitung "Sme". Kurz vor seiner Rückkehr an die Spitze des Obersten Gerichtshofs wandte er sich an drei weitere Medien mit der Forderung von je 200.000 Euro. Andernfalls drohe eine Klage.

Persönlichkeitsrechte vor Pressefreiheit

Laut dem slowakischen Medienanwalt Tomas Kamenec gehen die slowakischen Gerichte anders vor als in anderen europäischen Ländern üblich. Es habe sich die Praxis etabliert, eher Persönlichkeitsrechte als die Pressefreiheit zu schützen, was "nicht ganz im Interesse der Gesellschaft" sei. Als Ausnahme der richterlichen Praxis erwähnt der Zeitungsbericht eine Richterin aus Banska Bystrica. Jana Dubovcova bezeichnete es als unannehmbar, dass Politiker Medienprozesse zu ihrer Erwerbstätigkeit machten. "Es ist nur eine Frage der Zeit, wann einer von diesen Konflikten vor das (Europäische Menschenrechts-) Gericht in Straßburg kommt. Dann wird die Slowakische Republik meiner Meinung nach viel Geld zahlen müssen", meinte Dubovcova.

Kritik von Presseorganisationen hat es zuletzt auch an dem im Juni in Kraft getretenen neuen slowakischen Mediengesetz gesetzt. Die OSZE, aber auch das Internationale Presseinstitut (IPI) mit Sitz in Wien werteten es als Angriff auf die Medienfreiheit. Kommen Herausgeber dem dort festgeschriebenen Recht auf Gegendarstellung nicht nach, wenn die Betroffenen sich als unzulässig kritisiert oder in ihrer Ehre verletzt fühlen, droht ihnen eine Geldstrafe in Höhe von 150.000 slowakischen Kronen (4.640 Euro). Die slowakischen Zeitungen erschienen aus Protest gegen das Gesetz zwei Mal geschlossen mit weißen Titelblättern.

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