Seine ehrgeizigen Wachstumspläne in Amerika werden für Deutschlands größten Stahlproduzenten ThyssenKrupp immer teurer. Der Stahlriese musste seine Investitionsbudgets für die Stahlwerks-Neubauten in Brasilien und den USA noch einmal um fast 800 Mio. Euro aufstocken. Insgesamt rechnet der zuletzt tief in die roten Zahlen gerutschte Konzern nun mit Baukosten von rund 7,8 Mrd. Euro, wie Konzernchef Ekkehard Schulz auf der Hauptversammlung mitteilte.
Trotz der Kostenexplosion bei den Bauprojekten sieht der Konzern mit gedämpftem Optimismus in die Zukunft. Die Ergebnisse im ersten Quartal des Jahres 2009/2010 seien besser gewesen als erwartet, sagte Schulz. Die Mehrzahl der Geschäftsbereiche habe wieder positive Ergebnisse erwirtschaftet.
Der Konzern erwartet deshalb für das laufende Jahr eine signifikante Verbesserung hin zu einem wieder positiven Ergebnis. ThyssenKrupp hatte im Geschäftsjahr 2008/2009 massiv unter der weltweiten Konjunkturkrise gelitten und einen Jahresfehlbetrag von fast 1,9 Mrd. Euro ausweisen müssen.
Zum Debakel entwickelte sich für ThyssenKrupp der Bau des neuen Hüttenwerkskomplexes in Brasilien. Von ursprünglich geplanten drei Mrd. Euro stieg das Investitionsvolumen auf heute 5,2 Mrd. Euro. Ausschlaggebend dafür waren eine ganze Serie von Planungspannen und Baumängeln, aber auch eine Ausweitung des Projekts. "Hier ist im Projektmanagement auf der technischen Seite von Anfang an bei der Komplexität einiges unterschätzt worden", sagte Schulz.
Auch die Kosten für das US-Stahlwerk in Alabama erhöhten sich nicht zuletzt durch gestiegene Infrastrukturaufwendungen zuletzt um 10 Prozent auf 2,6 Mrd. Euro. Dennoch würden beide Projekte nach ihrer Fertigstellung ihre Kapitalkosten verdienen. "Ihre Wirtschaftlichkeit ist nach wie vor gegeben", betonte Schulz. Doch dürfte es wohl noch Jahre dauern, bis sie schwarze Zahlen schreiben.
Kostenexplosion bei den Hüttenwerken
Die Kostenexplosion bei den Hüttenwerken beschäftigte in den vergangenen Monaten bereits wiederholt den Aufsichtsrat des Stahlriesen. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Gerhard Cromme, betonte vor den Aktionären, der Aufsichtsrat habe nicht nur die Konzernrevision mit einer Sonderprüfung beauftragt, sondern auch ein externes Rechtsanwaltsgutachten in Auftrag gegeben, um eine mögliche Haftung des Vorstandes für die Kostenüberschreitungen zu prüfen. Doch seien die Juristen zu dem Ergebnis gekommen, dass es keine zum Schadenersatz verpflichtende Pflichtverletzungen gegeben habe. Deshalb habe man auf eine Klage verzichtet.
Das Stahlwerk in Brasilien soll nun mit einem ersten Hochofen im dritten Quartal dieses Jahres in Betrieb gehen, die Warmbandstraße in Alabama schon im zweiten Quartal 2010 starten. Das US-Edelstahlwerk wird voraussichtlich im Oktober seine Arbeit aufnehmen.
Die Kostenexplosion sorgte auch bei vielen Aktionären für Unmut. Lob bekam der Stahlkonzern von den Aktionärsschützern dagegen dafür, dass er als erster deutscher DAX-Konzern die Anteilseigner über die Vorstandsvergütungen am späten Abend abstimmen lassen wollte.