Global 2000 kritisiert Auslegung der WHO-Kriterien, chemische Industrie die zu breite Definition
Forscher weisen seit gut 20 Jahren auf negative Auswirkungen von hormonstörenden Stoffen auf den menschlichen Organismus hin. Die schlechtere Qualität von Spermien oder der frühzeitige Beginn der Pubertät könnten Auswirkungen endokriner Disruptoren sein. Sie kommen neben Pflanzenschutzmittel zum Beispiel in Kunststoffprodukten, Baustoffen, Möbeln oder Fußbodenbelägen vor.
Handlungsaufforderung
Die EU-Kommission hat nun neue Kriterien zur Definition von hormonstörenden Stoffen vorgeschlagen, nachdem die Brüsseler Behörde wegen Untätigkeit geklagt worden war. Grundlage für die Kriterien der sogenannten endokrinen Disruptoren (hormonstörenden Stoffen, in Pflanzenschutzmitteln und Bioziden wie Desinfektions- oder Holzschutzmittel), sollen die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sein, teilte die EU-Behörde am Mittwoch in Brüssel mit. Laut Global 2000 sei dies aber nicht der Fall.
Die Definition
Der Pressemitteilung der Kommission zufolge definiert die WHO einen Stoff als endokrinen Disruptor, wenn er im Blut wirksam wird (endokrine Wirkungsweise) und ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Wirkung und der Veränderung im Blut besteht. Und wenn er eine schädigende Wirkung auf die menschliche Gesundheit hat.
Global 2000: Ziel des Gesundheitsschutzes klar verfehlt
Helmut Burtscher, Umweltchemiker bei Global 2000, sieht hier jedoch eine Abweichung von der WHO-Definition, denn diese spricht vom "intakten Organismus" und nicht von der Wirkung auf den "Mensch". "Indem die Kommission 'Beweis' für die hormonschädigende Wirkung beim Menschen einführte, setzt sie die Latte für die Identifizierung und Regulierung dieser Stoffe so hoch, dass das Ziel des Gesundheitsschutzes klar verfehlt wird", lautete die Kritik von Burtscher.
Ebenso ignoriere die Kommission mit ihrer Haltung die Ergebnisse eines Reports des bekannten deutschen Endokrinologen Andreas Kortenkamp, den sie selbst in Auftrag gegeben habe. Burtscher wirft der EU-Kommission vor, dass sie sämtliche umwelt- und gesundheitspolitischen Fortschritte des letzten Jahrzehnts rückgängig mache.
Definition für Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs zu ungenau
Kritik in Richtung Brüssel, kam auch vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs. Dieser kritisierte die unspezifische Definition, mit der die Chance verpasst wurde "die menschliche Gesundheit durch sinnvolle Kriterien und eine wissenschaftlich basierte Risikobewertung vor tatsächlich hormonell schädlichen Substanzen zu schützen", kommentierte Geschäftsführerin Sylvia Hofinger. Man warne davor, alle hormonell aktiven Stoffe über einen Kamm zu scheren.