Premiere am 4.9.

Gert Voss in Faust: „Ich bin der Joker"

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Das Voss-Interview zum „Faust“-Countdown

Gert Voss spielt in Faust den Mephisto. Ihm zur Seite agiert Tobias Moretti als Titelheld, der seine Seele dem Teufel verkauft. Voss kommentiert die beiden tragenden Rollen.

ÖSTERREICH: Warum spielen Sie nicht den Faust?
Gert Voss: In Goethes Stück gibt es zwei tolle Protagonisten, den Faust und den Mephisto. Ich habe den Faust schon früh gespielt: 1971 in Braunschweig war ich der Urfaust, da war ich noch sehr jung und hab das meiste nicht verstanden. 1977 in Stuttgart habe ich unter Peymanns Regie verschiedene Rollen im Faust gespielt, den Wagner, eine Hexe, den Dichter, den Kanzler, den Euphorion.

ÖSTERREICH: Der Mephisto gilt als die bessere Rolle …
Voss: Zunächst glaubt man das. Aber wenn man lange an dem Stück arbeitet, kommt man drauf, dass der Faust auch eine wunderbare Rolle ist. Er hat urdeutsche schlechte Angewohnheiten: Er ist totalitär, ruhelos, larmoyant, er ist radikal, besessen und betrügt sich selbst. Aber er hat auch diese Größe, er ist ein Genie, aber so ausgereizt, dass ihn nichts mehr befriedigt. Er weiß so viel und möchte immer mehr wissen; Dafür ist ihm jedes Mittel recht, da hat er keine moralischen Bedenken.

ÖSTERREICH: Und welche Eigenschaften hat Mephisto?
Voss: Er ist nicht der Satan, er ist keiner von den großen Teufeln. Seine Tricks sind gefährlich, aber er macht dauernd Fehler, er ist ein Außenseiter, der mit allen Mitteln ans Ziel kommen will. Seine kriminelle Energie speist sich daraus, dass er ein gefallener Engel ist. Er ist aus der Firma da oben rausgeflogen und ist jetzt in der unteren Kategorie. Gott sagt zu ihm: „Ich habe deinesgleichen nie gehasst./Von allen Geistern, die verneinen,/Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.“

ÖSTERREICH: Mephisto ist ein Spaßmacher …
Voss: In der Theatergeschichte und bei Goethe ist der Schalk die lustige Person. Heute würden wir sagen: der böse Clown, der Joker. Goethe entwickelt bei ihm einen großen, ganz undeutschen Humor. Mephisto hat etwas von einem schwarzen Shakespeareschen Narren. Er sticht in jede Verblasenheit mit einer Nadel hinein, er ist der Geist, der stets verneint. Auch ich verneine gern, weil ich mich gern in Opposition befinde.

ÖSTERREICH: Was fasziniert Sie an Mephisto?
Voss: Mephisto ist einer der größten Verführer in der Literatur. Nur durch seine enorme Eloquenz und hohe Intelligenz verführt er den Menschen, ihm zu folgen.

ÖSTERREICH: „Faust“ ist das wohl berühmteste deutsche Theaterstück …
Voss: Goethes Sprache, seine Musikalität und seine Fähigkeit, Intelligentes zu sagen, ist gewaltig. Aber die deutschen Klassiker, mit Ausnahme von Kleist und Büchner, sind große Erklärer und Philosophen. Man bekommt es immer ein bisschen beigebracht. Das hat Shakespeare lustigerweise nicht nötig.

ÖSTERREICH: Shakespeare erklärt nichts?
Voss: Shakespeare konfrontiert mit dem Geheimnis Mensch. Richard III., Macbeth, Shylock oder Othello werden in ihrer Ungeheuerlichkeit nicht erklärt. Mein Interesse wird es sein, auch dem Mephisto ein Geheimnis zu geben.

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