Intellektuelle warnen vor einem "europäischen Provinzialismus". Die Kritik bezieht sich auch auf die Themenwahl der Frankfurter Buchmesse.
Mit der "Katalanischen Kultur" wagt die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr einen Spagat. Selbst wenige Tage vor Beginn der weltgrößten Bücherschau am Mittwoch löste die Wahl des Schwerpunkts noch heftige Debatten aus. Jedes Jahr kürt die Buchmesse ein Gastland, erstmals war das 2004 mit der "Arabischen Welt" kein eigenständiger Staat. Politikwissenschafter und Schriftsteller warnten am Wochenende bei einem internationalen Kongress in Frankfurt mit Blick auf die Entscheidung für Katalonien als Gastland gar vor einem europäischen Provinzialismus.
Europa, ein Orchester
Die wirtschaftsstärkste Region Spaniens
mit dem Zentrum Barcelona und einer eigenständigen Sprache versteht sich
nach einem im vergangenen Jahr verabschiedeten Autonomiestatut als "Nation".
Entsprechend selbstbewusst nimmt sie ihre Rolle ein. "Wir sind eine
reiche Region, und das macht uns stolz", sagt etwa die katalanische
Wirtschaftswissenschafterin Muriel Casals. Sie bezeichnet Europa als ein
Orchester, in dem "jedes einzelne Instrument seine Bedeutung"
habe.
Europa der Nationen
Der ehemalige katalanische Präsident und
Ex-Oberbürgermeister von Barcelona, Pasqual Maragall, geht noch einen
Schritt weiter und plädiert ganz offen für eine Stärkung der Regionen. Man
müsse das Europa der Nationen voranbringen. Europa sei die Lösung für die
Probleme Kataloniens. "Wir Katalanen sind Europäer, und deshalb sind
wir auch nach Frankfurt gekommen", sagte er bei dem Symposium mit dem
Titel "Für ein offenes Europa. Europäische Gesellschaften auf dem Weg
zu neuen Identitäten".
Der "teuerste" Auftritt
Etliche Fakten untermauern das
zur Schau getragene Selbstbewusstsein: Der katalanische Sprachraum umfasst
rund 13 Millionen Menschen. Als eigenständiges romanisches Idiom ist
Katalanisch zudem die achtgrößte Sprache innerhalb der Europäischen Union.
Und mit 16 Millionen Euro legt das Gastland den bisher teuersten Auftritt
überhaupt hin.
"Gefahr eines Provinzialismus"
Doch viele
Intellektuelle glauben, Europa könne nur dann eine starke Einheit werden,
wenn sich seine Regionen ihrer Rolle innerhalb des Ganzen bewusst seien. Der
Präsident der deutschen Sektion der Schriftstellervereinigung PEN, Johano
Strasser, verurteilt etwa die "Überbetonung des Separierens". "So
wichtig es ist, die einzelnen Kulturen in einen Dialog zu bringen, so groß
ist auch die Gefahr eines Provinzialismus", sagt er. "Kulturelle
Identitätspolitik ist immer eine zweischneidige Angelegenheit."
Damit zielt er auf den ursprünglichen Plan, nur katalanisch publizierende Autoren zur Buchmesse zuzulassen. Die bekanntesten, in Katalonien lebenden Schriftsteller wie Carlos Ruiz Zafón ("Der Schatten des Windes") oder Eduardo Mendoza ("Die Stadt der Wunder") schreiben aber in Spanisch.