Der Erfolgs-Sänger liefert neues Album ab: "Bleib unterwegs".
Laith hat es sich nicht gemütlich gemacht. Hätte er aber durchaus können, auf der Million verkaufter Tonträger, den Goldenen Platten und dem sensationellen Erfolg seines letzten Albums. Ist aber nicht sein Ding, dieses Langmachen auf Lorbeeren. Ihn treiben tausend Dinge um, die er 2016 konsequenter denn je ausspricht und kompromisslos offenlegt. Laith Al-Deen macht Frieden mit der Veränderung und entscheidet sich für:
»Der Erfolg war natürlich das schönste Gefühl – die Reaktionen auf „Was wenn alles gut geht“ waren das Sahnehäubchen, das ich gebraucht habe. Es war nicht so sehr das Album, das den kleinen Burn-out beendet hat, sondern das ‚wir sind mit dir’ meiner Fans, das den Unterschied gemacht hat.« Es braucht eben Vertrauen, um etwas zu riskieren – und für einen Musiker, der was auf sich hält, ist jedes neue Album ein Risiko. „Bleib unterwegs“ ist ein Wagnis, das Laith aus vollem Herzen eingeht. Gemeinsam mit seinem neuen Produzenten Udo Rinklin (Philipp Poisel, Die Happy, Tonbandgerät) lässt er diesmal vieles einfach laufen und schlägt mit opulenten Aufnahmen und liebevollen Zitaten einen schwelgerischen Bogen zu seinen ersten beiden Platten. „Bleib unterwegs“ ist ein Hybrid aus alt und neu und damit auch eine beinahe unheimliche Analogie zu den inhaltlichen Themen der elf Songs der neuen Platte.
»Mir ist wieder bewusst geworden, dass das Unterwegssein das Brot des Künstlers ist, deswegen habe ich mich entschlossen, wieder viel mehr auf der Straße zu sein. Schon vor zwei Jahren habe ich die „live acoustic“-Tour gestartet, die keine Tour im eigentlichen Sinne ist, sondern eine nie endende Konzertreise.« Der Titel des neuen Albums unterstreicht diese Entscheidung und betont mit „Bleib unterwegs“ den Aspekt, dass es sich nach Laiths Auffassung nicht um eine Phase handelt, sondern um eine Haltung. Die Befreiung aus dem Alltagstrott, die so viele Menschen umtreibt und für die auch der legendäre Phoenix als neues Signet im Artwork steht, kann ein zäher Prozess sein, den „Bleib unterwegs“ mit viel Verständnis aber gleichzeitig auch jeder Menge überzeugtem Vortrieb begleitet.
Die Voraussetzung für Veränderung ist die ehrliche Auseinandersetzung mit dem Ende. „Alles hat seine Zeit“ ist die Einleitung, die wir dazu brauchen. »In der Lebensmitte muss man sich zunehmend mit dem Thema Abschied auseinandersetzen und niemand möchte umsonst gelebt haben, das verbindet uns alle. Die tieferen Schichten dieses Songs erschließen sich, wenn man die weiteren Stücke des Albums hört – es sind allesamt Geschichten, die von Veränderung erzählen und von der Sinnsuche, die durchaus auch mit dem leidenschaftlichen Versuch, das Beste daraus gemacht zu haben, enden darf. Denn das Leben ist nicht mittelmäßig, es fordert uns permanent.«
Es sind wahre Geschichten, die auf „Bleib unterwegs“ verarbeitet werden. Geschichten, nach denen Laith während des Songwritings nicht nur bewährte und neue Co-Writer gefragt hat, sondern auch seine Fans via Facebook. Dem Aufruf folgte ein Echo, das in seiner Offenheit extrem bewegend war und dazu geführt hat, dass aus dem angedachten einen Song jetzt in fast allen Liedern Erfahrungen daraus stecken. So wie in „Geheimnis“, der ersten Single des Albums, das eine Begegnung mit einem Menschen beschreibt, die alles in Frage stellt – aber auch auf übergeordneter Ebene Bestand hat: »Wir leben in einer vermeintlich offenen Welt, müssen aber feststellen, dass es nach wie vor große Defizite gibt: ob interkulturell, interreligiös oder was z.B. homosexuelle Liebe angeht. Das führt zu Geheimnissen, mit denen man in sich selbst konfrontiert ist, weil sich etwas richtig anfühlt, das als falsch gilt. Hier kommt es schwarz auf weiß: Niemand ist damit allein.«
„Feuer“ ist eine gewaltige, empfindsame Motivationsballade, die vollstes Verständnis dafür hat, dass der Wunsch sich zu (ver-)ändern manchmal lange brennen muss, bevor man den ersten Schritt in eine andere Richtung gehen kann. »Ich habe die frühere Zeile „du musst nur nach vorne marschieren“ in meiner Bearbeitung bewusst gestrichen, denn ich möchte auf keinen Fall diejenigen verurteilen, die es nicht sofort schaffen.« Das Demo zu „Elektrisch“ passte perfekt in unseren Plan, etwas Neues zu machen. Funky 90er-Reminiszenzen mit einer unbeschwerten Message: Du siehst jemanden und es knallt einfach. Es geht um Chemie, nicht um tiefschürfende Romantik. Der Song tanzt euphorisch, wechselt und wandelt sich – wie die Schauer, die einem den Rücken herunterlaufen, wenn es einen erwischt. Es wird nämlich nicht nur philosophiert auf „Bleib unterwegs“, es wird auch gefeiert: Selbstliebe zum Beispiel. Wie in „Im Vorbeigehen“, das vorschlägt, sich doch erst mal selbst gut zu finden, bevor man andere schlecht findet und ganz bewusst auszubaden, was man angestoßen hat.
Bevor die Platte mit „Heimathafen“ zur Ruhe kommt, steuert „Bleib unterwegs“ aus der Feder von Gregor Meyle, sicher auf das Ziel zu. Der Track, der schon 2013 beim ersten Treffen der beiden Künstler entstand, trug rein zufällig schon das Wort im Titel, das Laith Ende 2015 beschäftigte und war damit natürlich gesetzt. „5 Sekunden“ steht für den Moment, in dem sich alles ändert. Ob man später mit sich hadert oder nicht: Eine Entscheidung sollte in jedem Fall zelebriert werden, denn sie ist der Augenblick, in dem Veränderung seinen Anfang nimmt. „Heimathafen“ schließt dann den Kreis. »„Alles, was den Bogen meines Lebens spannt“ ist sicher der lyrischste Satz auf dem Album. Er ist meine Antwort auf die aufgeworfenen Fragen und preisgegebenen Ängste. Eine Einstellung, die ich seit fünfzehn Jahren vermitteln möchte: Nämlich, wie großartig ich es finde, was mir passiert. Das betrifft meinen Beruf als Musiker genauso wie das Leben an sich. Gerade jetzt, wo mit so viel Hass um sich geworfen wird, werfe ich umso mehr Dankbarkeit an das Leben zurück.« Musikalisch strahlt der orientalische Teil von „Heimathafen“ wohlig-warm und fremdartig zugleich bevor sich der Song geradezu episch in die Wertschätzung des Alten und die Ehrfurcht vor dem Neuen steigert.
Laith Al-Deen hat ein Album gemacht, das voller Tatendrang steckt und dabei ungeahnte Ruhe ausstrahlt. Ein Album, das aus hunderten Geschichten besteht und dennoch unbeirrt persönlich wird. – Auf dem weiten Weg zu uns selbst wird „Bleib unterwegs“ uns sicher noch sehr lange begleiten ...
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