Schauspielerin Valerie Huber will mit ihrem neuen Buch FOMO Sapiens die Gesellschaft wachrütteln. Denn mit 29 Jahren fürchtet sie – zwischen Klimakatastrophe und Rechtsruck – die Zukunft.
Wir müssen mehr an die Substanz gehen – die Oberflächlichkeit unserer Zeit bringt uns nicht weiter“, erklärt Valerie Huber und schlägt damit Töne an, die man auf den Red Carpets, auf denen die 29-jährige Schauspielerin sonst verkehrt, eher selten hört. Die Wienerin, die 2021 mit dem Kinofilm „Klammer – Chasing the Line“ ihren Durchbruch feierte und seither willkommenen frischen Wind in die Film- und Fernsehszene des Landes bringt, sorgt dieser Tage für Schlagzeilen anderer Natur. Als Aktivistin und Gesellschaftskritikerin tritt Huber nun auf und präsentiert ihr erstes Buch, in dem sie erzählt, wie schwer es ist, in Zeiten wie diesen ein junger Mensch zu sein. Klingender Titel: „FOMO Sapiens“ – ein Mensch, der Angst hat, etwas zu verpassen. Was Valerie Huber damit meint, erfahren Sie hier.

Das Buch von Valerie Huber ist im Goldegg-Verlag erschienen.
Globale Krise statt Glamour
„Wir müssen ständig, viel und immer mehr. Wir hetzen von hier nach da und wissen nicht mehr, wonach wir anfangs gesucht haben. An allen Ecken und Enden bröckelt die Fassade der heilen Welt, die unsere Eltern mühselig für uns gemalt hatten. Das Leben macht nur noch an manchen Tagen Spaß und wir rutschen immer mehr in unsere Köpfe“, schreibt die Autorin, die in ihrem Werk die 34 Fragen analysiert, die sie nachts wachhalten. „Ich gebe es zu, ich habe Angst vorm Altern. In einer Welt, die so sehr bestrebt ist, die Jugend zu konservieren, läuft die Zeit seit der Pandemie noch schneller, die Probleme auf der Welt fügen sich tetrisgleich zu hohen, lückenlosen Mauern zusammen und wir bekommen nur noch fragmentarisch mit, was alles um uns herum passiert.
Es ist schwierig, in solchen Zeiten nicht den Fokus oder den Boden unter den Füßen zu verlieren“, so Valerie Huber über die Anfänge ihrer Sinnkrise, die sie schließlich zu dem Buch motivierte. „Nachdem ich immer einen Plan gehabt hatte, immer genau wusste, was ich wollte, verlor ich auf einmal jegliche Orientierung und Entscheidungskraft. Ich fragte mich, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte und was das alles hier überhaupt für einen Sinn hätte.“ Dabei hinterfragt sich die 29-Jährige durchaus selbst: „Ihr fragt euch nun vielleicht: Wieso denkt dieses junge Ding, das in jeder Hinsicht privilegiert ist, dass es in einer Krise stecke? Wieso schätzt es nicht das, was es hat, sondern möchte immer mehr oder alles anders?“ Um auch gleich selbst die Antwort darauf zu geben: „Diese innere Unzufriedenheit ist das Konvolut aus multiplen Erscheinungen unserer modernen Welt und gleichzeitig ein Produkt unserer Gedanken. Menschen sind generell viel zu verkopft und wollen zu viel. Wir können die Schönheit eines Moments nicht mehr richtig wahrnehmen, weil wir gedanklich schienbeintief entweder im Schlamm der Vergangenheit feststecken oder schon Stunden oder Wochen im Voraus von der idealen Zukunft träumen.“

Huber engagiert sich für UNICEF
Fast Fashion, Klimaschutz, Kapitalismus, die Kluft der Geschlechter & digitaler Alptraum
Als Appell zur Aktion – „insbesondere für junge Leute, die sich heute viel zu wenig für Politik interessieren“ – bezeichnet Valerie Huber ihr Buch. „Wir sind eine Generation, gezeichnet von Zukunftsängsten“ – und diese seien zwischen Klimawandel und rechtspopulistischer Politik mehr als nachvollziehbar. „Eine drastische, sofortige Veränderung ist notwendig, um unsere Zivilisation zu retten“, schreibt die Autorin – und gibt im Interview (siehe rechts) zu, dass sie die aktuellen Entwicklungen kaum mehr hoffen lassen.
Hubers Appell an die Menschen
„Wenn wir als Einzelpersonen schon nicht Krieg, Hunger und Armut beenden können, haben wir bei unserer FOMO die Chance, ihr zu entkommen: durch das Bewusstsein und die Achtsamkeit, im Hier und Jetzt zu leben, durch ein verstärktes Vertrauen in die Zukunft, eine radikale Reduktion unseres Social-Media-Konsums, durch Lehren wie Taoismus, durch die Natur, Sport, Meditation, durch eine allgemeine Entschleunigung und vor allem durch die Wiederentdeckung unserer Freude an kleinen Dingen haben wir die Möglichkeit, unser kleines, persönliches Glück zu finden und zu bewahren.“
Valerie Huber im Interview:

Schauspielerin Valerie Huber schrieb ein gesellschaftskritisches Buch
Sie leben auf der einen Seite ein glamouröses Schauspielerinnenleben – auf der anderen Seite sind Sie sehr aktiv bei UNICEF. Wie verbinden Sie diese Seiten?
Valerie Huber: Ich glaube, ich brauche beide Seiten, um die jeweils andere auszugleichen. Ich liebe meinen Beruf und betrachte es als großes Privileg, diesen ausüben zu dürfen. Aber ich brauche auf der anderen Seite auch die Auseinandersetzung mit den Weltgeschehnissen und möchte die Plattform, die ich durch die Schauspielerei habe, nutzen, um wichtige Inhalte, wie die von UNICEF, hinauszutragen. Ich brenne für diese Arbeit für Kinder in Afrika und könnte auch nicht ohne diese Balance.
Sie haben die ersten sieben Jahre Ihres Lebens in Afrika verbracht – hat das Ihre Sichtweise auf das Leben beeinflusst?
Huber: Ich glaube, ich habe dort sehr früh eine tiefe Menschlichkeit kennengelernt. Das war natürlich die Sicht durch Kinderaugen, Afrika hat auch seine dunklen Seiten – aber dadurch habe ich auch sehr früh gelernt, was soziale Ungerechtigkeit bedeutet und wie sehr der Zufall, wo wir geboren sind, das Leben beeinflusst. Für mich waren alle Menschen immer schon gleich und ich habe deshalb heute wenig Toleranz für Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.
Stichwort: Ballsaison. Sie schreiben, dass Sie sich eher bei den Demonstrant:innen als auf dem Opernball sehen. Gehen Sie also auf keinen Ball?
Huber: Ich war heuer sogar schon auf einem Ball. Ein Ball ist ein wunderschönes Erbe unserer Wiener Kultur – nur weil man aktivistisch tätig ist, heißt das nicht, dass man so ein kulturelles Ereignis nicht mitnehmen kann. Ob ich wieder auf den Opernball gehen würde? Wahrscheinlich nein. Würde ich auf den Akademikerball gehen? Nein! Ich glaube, es ist ein Unterschied, ob das ein normaler Ball ist oder einer, auf dem sich Spitzenmanager Logen für 30.000 Euro kaufen. Das gilt es, meiner Meinung nach, immer noch zu kritisieren, wenn es im Land immer noch Armut gibt.