Einer langjährigen Mieterin im Gemeindebau Rennbahnweg 27 platzt der Kragen, weil Ausländer Österreich beschimpft hätten.
Wien. Für die "Am Schauplatz"-Reportage vom 6. April 2023 (ORF 2) tauchte Reporter Ed Moschitz in die Lebenswelten der Menschen im Gemeindebau Rennbahnweg 27 ein und ergründete die Ursachen für ihr oft schwieriges und ungewöhnliches Leben.
Rennbahnweg 27 ist der größte zusammenhängende Plattenbau der Stadt. Bestückt mit 57 Wohntürmen, die bis zu 16 Stockwerke in den Himmel ragen. 8.000 Menschen wohnen hier – die Reportage befasste sich über das komplexe Zusammenleben in der Großsiedlung am Rande Wiens.
In der Reportage kam unter anderen eine langjährige Bewohnerin des Gemeindebaus vor, die selbst vor Jahrzehnten aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Wien kam und sich nun über die junge Migranten-Generation im Rennbahnweg 27 ärgert.
"Schade, dass solche Menschen, so schöne Wohnungen gekriegt haben", beginnt sie zu erzählen. "Da waren drei Ausländer – einer von Pakistan im 7. Stock, ein Syrer vom 8. Stock und der dritte war auch Syrer oder Afghane – also drei Ausländer und ich bin die vierte und ziehe im 6. Stock ein. Aus Spaß habe ich zu ihnen gesagt: 'Bumm, vier Ausländer'. Wissen Sie, was der sagt? 'Wer braucht Österreicher?'. Seitdem will ich den nicht einmal mehr sehen."
"Über Österreich lasse ich kein Wort kommen"
Sie antwortete ihm: "Österreich hat dir alles gegeben. Hast sechs Kinder gehabt – du hast deine Frau mit den sechs Kindern stehen gelassen und hast dir eine andere geholt und hast unser Geld kassiert?" Sie werde Österreich immer verteidigen, sagt sie weiter. "Österreich hat mir alles gegeben, aber nicht Jugoslawien. Österreich ist für mich das schönste und beste Land auf der ganzen Welt. Auch die Leute, wie sie sind, ihre Kultur." Über Österreich lasse sie kein Wort kommen.
Außerdem kamen in der "Am Schauplatz"-Reportage zu Wort:
Gottfried Fabits (74) gehörte 1976 zu den ersten Mietern hier. Heute ist er die gute Seele der Anlage. Seit 23 Jahren säubert er die Grünflächen: „Jeden Morgen, bei jeder Witterung.“ Nicht einen Cent bekommt der Mindestrentner, wenn er Müll aufklaubt und „bis zu 50 Einkaufswagerl“ einsammelt. Er lenkt sich damit vom täglichen Überlebenskampf ab. 150 Euro bleiben ihm monatlich nur fürs Essen. Auf seinem Balkon im achten Stock gibt es daher selbst gezogenes Gemüse und Kräuter. „Ich mag den Rennbahnweg“, sagt er stolz. Nur seine verstorbene Frau, eine Beamtin, die hätte sich Zeit ihres Lebens für diese Wohnadresse geniert. Dabei hatte die Stadt Wien beste Absichten, als man die Anlage Mitte der 1970er Jahre auf den ehemaligen Trabrenn-Gründen errichtete: „Modernes und gesundes Wohnen macht Menschen glücklich“, war die Devise. Das sollte mit einer autofreien Siedlung, mit 2.424 hellen Wohnungen ausgestattet mit Fernwärme gelingen.
Stefan Zampa (33) ist hier aufgewachsen und ins Drogenmilieu abgerutscht. Seine Mutter, eine Alleinerzieherin, war mit der Situation überfordert. Stefan fühlte sich eingesperrt, rebellierte und wurde wegen Beschaffungskriminalität verurteilt und inhaftiert. Heute ist der angehende Sozialpädagoge froh, dass er das alles hinter sich hat. Als „Esperancer“ macht er hier mit Freund Mikael, 20, der sich „Onetakemc“ nennt, Musik, um Jugendliche mit Problemen „auf bessere Gedanken“ zu bringen.
Gerhard Pawlata ist 1979 zum Rennbahnweg gezogen. „Nicht freiwillig“, wie er sagt. Eine andere Wohnung habe man ihm nicht gegeben. Damals, als er noch mit einem Kleintransporter durch ganz Europa fuhr. Doch dann wurde ihm wegen Trunkenheit am Steuer der Führerschein entzogen. Weil er auch handfest mit einem Polizisten zusammenkrachte, folgten saftige Geldstrafen. Die Strafzahlungen könne er sich aber mit der Mindestpension von 643 Euro nicht leisten. Daher muss der 66-Jährige immer noch – regelmäßig für mehrere Wochen – „sitzen gehen“.
Inge Thier (69) und ihr Mann Wolfgang (68) haben sich am Rennbahnweg verliebt. Im Lift. „Uiuiui hat es gemacht“, erzählt er. So sehr, dass er sich von seiner damaligen Frau gleich scheiden ließ. Das war vor 45 Jahren. Bis heute verbringen die Thiers jede Minute gemeinsam. Egal ob Schnäppchenjagd beim Penny-Markt, kochen oder spazieren gehen. „Wir sind so deppert, dass wir sogar händchenhaltend schlafen gehen.“