Wiederholungstäter

Behörden-Skandal um Anita-Mord

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'Ziehvater' war ein Sex-Monster und durfte trotzdem zwei Mädchen großziehen.

Mit den neuen Informationen, die ÖSTERREICH zugespielt wurden, wird die Causa endgültig zum Behördenskandal: Denn obwohl der Strafregisterauszug dem aus Innsbruck stammenden Erwin K. (54) bescheinigt, ein unbeschriebenes Blatt zu sein, wurde der Diplomingenieur mehrmals erkennungsdienstlich behandelt: So ermittelte die Polizei in Innsbruck 1977 erstmals gegen den damals 22-Jährigen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen.

Gefängnis
1980 kommt es zu einer Vergewaltigung – der Eintrag stammt von der Justizanstalt Stein –, das heißt, dass Erwin K. deswegen auch hinter Gittern gesessen sein muss.

Der nächste Eintrag stammt aus dem Jahr 1986, der Begriff ist den Österreichern spätestens seit dem Fall Fritzl bekannt: Blutschande bzw. Inzest mit einem engen Verwandten.

Vergewaltigung
Sechs Jahre später, 1992, ermittelte die Polizei in Innsbruck erneut wegen Vergewaltigung (und Raub) gegen den mittlerweile 36-Jährigen.

Danach zog Erwin K. nach Wien und arbeitete für einen Gehörlosenverband. Dort lernte er die damals erst 13-jährige Szilvia K. kennen, die sich dem Mann öffnete und beichtete, dass ihr eigener Vater sie missbrauchte. Bereits im Lager Traiskirchen sei der aus Ungarn geflüchtete Josef K. über sie hergefallen.

Missbrauch
Der Triebtäter Erwin K. witterte und nützte seine Chance: Er überredete das Mädchen scheinheilig, auch der Lehrerin vom Missbrauch zu berichten. Es kam zu einem Verfahren, der Vater wurde verurteilt und abgeschoben. Für Szilvia und die zu diesem Zeitpunkt neunjährige Anita war der echte Papa damit „tot“. Die Mutter der beiden war unfähig und unwillig, sich um die Kinder zu kümmern.

Sex mit 12
Dann passierte das Unfassbare: Unbehelligt von allen Behörden (Schule, Jugendamt, Polizei, Justiz) holte der perverse Erwin K. zuerst die ältere Schwester Szilvia zu sich, um sofort mit ihr Sex zu haben – und danach auch Anita, die erstmals mit 12 Jahren mit ihm das Bett zuerst in der Wohnung in Wien-Favoriten und dann im neuen Haus in Eggern teilen musste.

Ausbruch
Das erste Mal wollte Anita K. 2003 vor „Ziehvater“ Erwin K. flüchten. Sie ging selbst zur MA 11, um über psychische Gewalt zu klagen. Wie das Jugendamt reagierte, kann keiner mehr sagen, weil bei der Digitalisierung angeblich die Akten gelöscht wurden und „die Betroffene mittlerweile erwachsen sei“ (so eine Sprecherin).

Todesurteil
Das nächste Mal war heuer im Oktober, als Anita zu ihrem neuen Freund Manuel in Eggern zog. Dies und ein Streit um 21.000 Euro dürften das Todesurteil für die schöne Anita gewesen sein.

Polizei: "Reagierten schnell"
Warum die Polizei – die anhand der internen Vermerke über das mehr als bedenkliche Vorleben des Verdächtigen Bescheid wusste – nicht sofort mit Pauken und Trompeten am 28. Oktober ins Haus des Ingenieurs fuhr, sondern es anfangs bei einer Befragung per Handy beließ, bleibt offen. Gegenüber ÖSTERREICH stellte das Landeskriminalamt aber fest, dass man in diesem Fall "ungewöhnlich schnell" reagiert habe. "Obwohl es sich um eine erwachsene Abgängige handelt, habe man gleich fünf Stunden nach der Vermissten-Anzeige mehrere Hausdurchsuchungen gemacht und auch sofort die Mordgruppe eingeschaltet", heißt es.


Mord wegen 21.000 Euro
Von der Leiche Anitas (23) gibt es bisher keine Spur – möglicherweise hat Erwin K. die Ziehtochter tatsächlich auf einer Müllhalde in der Slowakei vollkommen verbrannt. Die Ermittler befürchten, dass die DNA-Proben von der Brand­stelle nichts mehr hergeben. Unterdessen erfuhr ÖSTERREICH, dass es vor dem Verschwinden der jungen Verkäuferin einen Streit um Geld gegeben hat. Es ging um 14.000 Euro aus einem Bankkonto und 7.000 Euro von einem Bausparvertrag. Anita, die vorher nur 200 Euro Taschengeld im Monat von Erwin K. bekam, wollte das Geld für den Tapetenwechsel.

Nach der Tat steht die Schwester von Anita, Szilvia (27), die verhaftet worden war, aber unschuldig ist, vor dem Abgrund – sie wollte ihren Peiniger heiraten und liebt ihn noch immer – und sie steht vor großen finanziellen Problemen. Erwin K. war weder Vormund der Mädchen noch mit ihnen verwandt. Anwalt Marcus Januschke: „Wir werden Entschädigung für die Haftzeit und den möglichen Tod der Schwester, z. B. mit dem Verkauf des Hauses, lukrieren.“
 

Lesen Sie den vollen Strafakt des 'Ziehvaters' auf der nächsten Seite.

Das ist der Strafakt des Täters

Strafregister Erwin K. (54) / Anita-Mord / Ziehvater
© TZ ÖSTERREICH

(c) TZ ÖSTERREICH/BMI

Unfassbar, aber wahr: Laut Strafregister der Republik Österreich ist Erwin K. (54), geboren in Innsbruck, unbescholten. Wortwörtlich heißt es im Strafregisterauszug: Es scheint keine Verurteilung auf. Die Akte ist gelöscht.

Dass ein Triebtäter sich an einem neuen Wohnort ein neues Leben aufgebaut hat, erfahren Normalbürger nicht mehr. Nur im polizeiinternen Computer scheinen noch sämtliche erkennungsdienstliche Behandlungen auf.

Erst hier zeigt sich das wahre Gesicht von Erwin K. als mutmaßlicher Vergewaltiger und Inzesttäter, der sogar eine Haftstrafe verbüßt hat. Es gilt – auch über seinen Selbstmord hinaus – die Unschuldsvermutung

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