Die Nachricht trifft Helmut S. wie der Blitz: Sein Sohn war eine Geisel.
Die dramatischsten 24 Stunden seines Lebens erlebte Helmut S. nach den Paris-Anschlägen am Freitagabend. Sein Sohn Daniel (20), selbst begeisterter Musiker, war im Pariser Konzerthaus Bataclan, als die Islamisten zuschlugen. Bei der Attacke, die über 80 Opfer forderte, trug der junge Tiroler aus Tarrenz einen Bauchschuss davon. Erst nach Stunden stürmte die Polizei das Gebäude. Alle vier Geiselnehmer kamen ums Leben.
Vater und befreundeter Arzt rasten nach Paris
Vater Helmut weiß nicht, ob Daniel es lebend aus dem Bataclan geschafft hat oder wie Dutzende andere mit Kalaschnikows und Handgranaten umgebracht wurde. Der Albtraum aller Eltern. Er beschließt, Daniel auf eigene Faust zu suchen: „Wir sind die ganze Nacht durchgefahren“, erzählt Hermann Köhle im ÖSTERREICH-Interview. Der Tiroler Internist und Intensivmediziner begleitete den Vater nach Paris.
Vergebliche Suche
Zusammen suchen sie die Pariser Spitäler ab. „Man hat uns überall geholfen, aber Daniel haben wir nicht gefunden.“ Die Odyssee in Paris scheint vergeblich. „Im Hinterkopf geisterte aber immer herum, dass ja noch viele Tote nicht identifiziert sind. Das war die pure Hölle“, so Köhle.
Happy End
Als die Verzweiflung am größten ist, kommt Samstagnacht die Wende: Ein Anruf aus einem Spital. Eine Krankenschwester meldet sich. Daniel lebt, überlebte eine Not-OP. In einem Wagen der österreichischen Botschaft rasen die Männer ans Bett des Burschen. Es geht ihm gut, nächste Woche kann er trotz der schweren Blessuren zurück nach Hause. Psychische Spuren werden bleiben, glaubt Köhle: „Er wird einige Zeit brauchen, um das zu verarbeiten.“(küe)
Der helfende Arzt im Interview
Mit dem Vater des angeschossenen Daniel S. (20) suchte Köhle die Pariser Spitäler ab.
ÖSTERREICH: Wie ist die dramatische Suche nach Daniel am Freitag zustande gekommen?
Hermann Köhle: Daniels Eltern sind meine engsten Freunde. Sie haben mich Freitagnacht noch angerufen, gesagt, was passiert ist; gefragt, ob ich jemanden in Paris kenne. Da habe ich gleich angeboten, dass wir selbst nach Paris fahren. Um ihn zu suchen und zu schauen, was wir tun können.
ÖSTERREICH: Wie lief das?
Köhle: Wir sind die Nacht durchgefahren, und um 14 Uhr sind wir angekommen. In der Zwischenzeit hat sich schon die Politik extrem ins Zeug gelegt. Angefangen von Landeshauptmann Platter über Außenminister Kurz bis zur Botschafterin Plassnik und ihrem Team. Informationen, wo Daniel liegt, gab es aber noch keine. Anrufe in den großen Spitälern blieben ergebnislos. Daher beschlossen wir, selbst hinzufahren. Es gibt ungefähr 30 Krankenhäuser dort. Man hat uns überall geholfen, aber Daniel haben wir nicht gefunden
ÖSTERREICH: Eine schwer zu akzeptierende Situation …
Köhle: Es war unglaublich, gerade für seine Eltern absolut an der Grenze. Auch die Handyortung hat nicht funktioniert – das Telefon war wahrscheinlich in seiner Jacke und ist dann bei der Geiselnahme verloren gegangen. Im Hinterkopf geisterte aber immer herum, dass ja noch viele Tote nicht identifiziert sind. Das war die pure Hölle.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie Daniel dann gefunden?
Köhle: Samstag gegen 23 Uhr ging plötzlich das Handy. Eine Krankenschwester war dran. Daniel sei nach einer Not-OP aus der Narkose aufgewacht und habe ihr die Nummer aufgeschrieben. Es gehe ihm gut.
ÖSTERREICH: Wie war dann das Wiedersehen im Spital?
Köhle: Wir sind eilig hin – die Botschaft hat uns extra einen Fahrer bereitgestellt. Es war höchste Emotion für den Vater. Plötzlich sieht er, dass der Junge wach ist, klar im Kopf ist. So was erlebt man nicht oft im Leben. Eine extreme Situation.
ÖSTERREICH: Wie geht es Daniel heute?
Köhle: Er ist stabil, er ist aus dem Ärgsten draußen. Wir hoffen, dass er Mitte dieser Woche zurück nach Österreich geflogen werden kann.
ÖSTERREICH: Hat er über die Geiselnahme erzählt?
Köhle: Er spricht mit seinem Vater darüber. Es muss ganz, ganz arg gewesen sein. Da wird er einige Zeit brauchen, um das zu verarbeiten. Er ist ja ewig als Geisel gehalten worden, bis die Einsatzkräfte gekommen sind.Erik Kühnelt
© BuzzFeed
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