Noch eine Tragödie

Flüchtlingsbaby starb nach Fenstersturz

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Der kleine Islam M. stürzte in den Tod. Die Eltern bekommen kein Asyl, die Überstellung des toten Kindes können sie sich aber nicht leisten.

Ajup M. (50) steht vor den Trümmern seiner Existenz: Am Freitag stürzte sein kleiner Sohn, Islam M. aus einem Fenster zehn Meter in die Tiefe. Der kleine Islam erlag im Spital seinen Verletzungen – er wurde nur 15 Monate alt.

Überführung von Islam M. kostet 6.000 Euro
Nach einem gescheiterten Asylverfahren wollte Ajup eigentlich mit seiner Frau Maina (32) und seinen sechs Kindern im Alter von eins bis sieben Jahren zurück nach Tschetschenien. Doch jetzt kann er sich die Überführung seines verstorbenen Kindes in die Heimat nicht leisten. „Ich will zum Grab meines Sohnes gehen können, um zu trauern“, sagt Ajup. „Aber die Kosten für die Überführung liegen bei 6.000 Euro. Dieses Geld habe ich nicht.“

Die österreichischen Behörden kommen nicht für die Kosten auf, weiß Flüchtlingshelferin Ute Bock, die Familie M. seit März 2009 betreut. Zuvor hatte man die Familie in Schubhaft genommen, um sie abzuschieben. Dabei wurde Ajup M. wegen der Strapazen der Flucht schwer krank. Die Familie wurde aus der Schubhaft entlassen. Doch der Staat strich den Tschetschenen die Grundversorgung, die Familie musste einige Nächte in Parks schlafen, bevor Frau Bock ihnen eine kleine Zweizimmerwohnung verschaffen konnte.

Mutter kann über Tod ihres Kindes nicht sprechen
Dort sitzt Mutter Maina M. am Tag nach dem Unglück auf der Schlafcouch im Wohnzimmer. Sie hat seit Freitag kaum ein Wort gesprochen, erzählt eine Freundin. Sie unterstützt derzeit die Familie. Sie kocht und kümmert sich um die fünf verbliebenen Kinder. Professionelle Hilfe von Psychologen will Frau M. nicht annehmen, sie will über den Tod ihres jüngsten Kindes noch gar nicht sprechen, so die Freundin.

Als das Unglück geschah, war Frau M. gerade zur Beratung bei Frau Bock. Herr M. war allein mit den Kindern. In einem unbewachten Moment stieg der kleine Islam, der gerade erst gehen gelernt hatte, auf das Fensterbrett und stürzte in den Innenhof des Mietshauses in der Dietrichstraße.

Am liebsten spielte der Bub mit Spielzeugautos
Völlig reglos steht dort Herr M. im Kreis seiner Freunde. Sechs Männer, die keine Worte finden für den Schmerz. „Am liebsten hat er mit kleinen Spielzeugautos gespielt“, sagt Herr M. Auf seinem Handy zeigt er unzählige Fotos von dem kleinen Islam, seine Hand beginnt zu zittern. Dann geht er unvermittelt ins Stiegenhaus, niemand soll seine Tränen sehen.

Ute Bock unterstützt die Familie M.
Bock: "Russland will sie nicht"

ÖSTERREICH: Hat die Familie M. noch eine Möglichkeit, in Österreich zu bleiben?
Ute Bock: Die wollen nicht mehr. Die haben eine Odyssee mit den Behörden hinter sich. Vor vier Wochen haben sie die Rückkehr beantragt. Es liegt jetzt an den russischen Behörden, das geht sehr langsam. Die sind nicht neugierig auf eine tschetschenische Familie, sonst wären die nicht in Österreich. Ich muss jetzt zusätzlich wegen der Überführung des toten Kindes verhandeln, weil der Kleine ja hier geboren ist. Für die Behörden ist das dann nicht automatisch ein tschetschenisches Kind.
ÖSTERREICH: Gibt es Geld für die Überführung?
Bock: Nein. Die Stadt Wien würde ein Armengrab bezahlen, aber nicht die Überführung. Ich hatte solche Fälle schon öfter. Das kostet leider an die 6.000 Euro.(nak)

Spenden an Ute Bock für die Überführungskosten: Hypo Tirol, Kt Nr. 520 110 174 99

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