Prominente Zeugen

Kellermayr-Prozess: Ärztin hatte panische Angst vor "Lynchmob"

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Eine Vertraute Kellermayrs schilderte, dass die Ärztin aufgrund der Nachrichten des Angeklagten Angst vor einem "Lynchmob" gehabt habe. 

OÖ. Im Prozess gegen einen Deutschen (61), der die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr im Internet massiv bedroht haben soll, waren am Dienstag prominente Zeugen am Wort - die Psychiaterin Adelheid Kastner und der oberösterreichische Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser. Im Lauf des Tages sollen auch noch zwei Gutachter gehört werden. Ein Urteil ist für Mittwoch geplant.

Kellermayr
© FOTOKERSCHI.AT/HANNES DRAXLER

Kellermayr-Prozess: Ärztin hatte panische Angst vor
© Gregor Hartl/Die Psychiaterin Adelheid Kastner

Kellermayr wurde während der Corona-Pandemie online massiv bedroht - mutmaßlich aus der Impfgegnerszene - erhalten. Hier gibt es im Wesentlichen zwei Hauptstränge: Ein unbekannter Darknet-User ("Claas") schickte ihr drastisch ausformulierte Todesdrohungen und Folterfantasien.

Dem nun angeklagten Deutschen werden hingegen E-Mails und Twitter-Nachrichten (heute X) von Februar bis Juli 2022 zur Last gelegt, in denen er der Medizinerin ankündigte, sie vor ein noch einzurichtendes "Volkstribunal" zu stellen und sie "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen. Im Sommer 2022 schloss Kellermayr ihre Ordination aus Sicherheitsgründen. Einige Wochen später beging sie Suizid.

Kastner empfahl Kellermayr Interaktion einzustellen

Kastner war in ungewohnter Rolle im Gerichtssaal - sie war als Zeugin geladen, nicht als Gutachterin. Sie hatte sich auf Bitten des damaligen Gesundheitsministers Rudi Anschober (Grüne) einmal mit Kellermayr getroffen, um ihr eine Einschätzung zu geben, für wie gefährlich sie die Drohungen halte, schilderte sie. Ihre Erinnerungen bezogen sich aber eher auf die "Claas"-Mails.

Sie habe in diesem Fall die Umsetzungswahrscheinlichkeit für eher gering angesehen, Kellermayr aber geraten, die Interaktion mit den Absendern einzustellen. Das habe die Ärztin jedoch nicht wollen. Als suizidal gefährdet habe sie Kellermayr damals nicht erlebt.

Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser beteuerte, dass man Kellermayr helfen habe wollen. "Es war ganz klar, dass wir ihr einen Rechtsschutz geben" und dass man Wege suchen wollte, um ihr bei ihren finanziellen Problemen unter die Arme zu greifen. "Ich habe selbst auch Drohungen bekommen", sagte er, und er habe ihr aus dieser eigenen Erfahrung geraten, pragmatisch zu handeln und sich etwas zurückzunehmen. Aber sie habe das abgelehnt.

Angeklagter geständig, sieht aber "Streitgespräch"

Der Angeklagte bestreitet die E-Mails und Tweets, die ihm zur Last gelegt werden, gar nicht, sieht aber nur ein wechselseitiges Streitgespräch. Das sagen zumindest seine Anwälte, denn er selbst schweigt seit Prozessstart zu den Vorwürfen.

Kellermayr antwortete immer wieder auf seine Nachrichten. Wie Zeugen in den ersten beiden Prozesstagen geschildert hatten, habe sie sich von Polizei, Ärztekammer etc. im Stich gelassen gefühlt. Und sie habe sich sehr gefürchtet, tendenziell mehr vor den Claas-Drohungen, aber auch vor den "Volkstribunal"-Drohungen, so der Tenor ihrer Aussagen. "Die Lisa hat schwerste Angstzustände gehabt", sagte eine Bekannte. "Für sie war das ein Lynchmob, vor dem sie panische Angst hatte.

 

 

(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich)

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