Der Caritas-Präsident will eine Garantie, dass nicht Arme für Corona-Krise zahlen.
ÖSTERREICH: Sie haben 5.000 Kerzen angezündet für die Corona-Toten. Was macht diese Krise mit uns?
Michael Landau: Hinter den Zahlen stehen Menschen, die gelebt haben, die geliebt haben, die geliebt worden sind. Aber die Pandemie ist auch ein Stresstest für die Gesellschaft insgesamt. Wie durch ein Brennglas werden Probleme, die bereits da sind, nochmals deutlicher sichtbar. Die Armut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
ÖSTERREICH: Haben sich die Gegensätze zwischen Arm und Reich verschärft?
Landau: Ja, ich glaube, dass der Graben nochmal größer geworden ist. Wie bei der Finanzkrise: Die Wohlhabenderen haben die Folgen rasch überwunden, während Kleinverdiener viel länger gebraucht haben. Es ist aber auch deutlich geworden: Viele Menschen sind bereit, sich für andere einzusetzen – es gibt einen guten Grundwasserspiegel der Nächstenliebe in unserem Land.
ÖSTERREICH: Was sollte die Politik tun? Eine Reform der Mindestsicherung?
Landau: Es wäre wichtig, dass die Sozialhilfe grundlegend überarbeitet wird. Dort, wo es um kinderreiche Familien geht. Hier sind die Richtsätze für Kinder einfach nicht der Realität entsprechend. Dasselbe beim Thema Wohnen: Viele stehen vor der Frage, ob sie die Wohnung heizen sollen, die Miete bezahlen oder etwas zum Essen einkaufen. „Whatever it takes“, hat die Regierung zur Frage nach Überwindung der Krise gesagt. Das Gleiche muss gelten, wenn es um den Zusammenhalt in Österreich geht. Es braucht eine Garantieerklärung der Bundesregierung, dass die Sanierung nicht auf dem Rücken von Kleinverdienern und armen Menschen passieren wird.
ÖSTERREICH: Die Regierung lehnt eine Aufnahme von Kindern aus den Flüchtlingslagern in Lesbos ab – und das vor Weihnachten.
Landau: Die Situation der geflüchteten Menschen in Lagern wie Kara Tepe ist menschenunwürdig. Da ist auch Griechenland gefordert. Aber es braucht auch eine humanitäre Rettungsaktion – Österreich sollte sich beteiligen. Diese Herbergssuche wird auch nach dem Heiligen Abend weitergehen. Wir werden hier in Österreich und in Europa gefordert bleiben. Und wir werden uns entscheiden müssen, ob wir an der Seite der Hirten stehen – oder auf der Seite des Herodes.
(gü)