Nach ÖVP-Forderungen

Haft für Klima-Kleber? Strafrechtsexperten gegen härtere Strafen

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Den wiederholten Forderungen der ÖVP nach härteren Strafen für "Klimakleber" können Strafrechtsexperten wenig abgewinnen.

Alois Birklbauer von der Johannes Kepler Universität Linz und Andreas Venier von der Universität Innsbruck attestieren der Maßnahme im Gespräch mit der APA keine präventive Wirkung. Eine eigene "Lex Klimakleber" im Strafrecht sei abzulehnen, meint Venier. Das Kriminalstrafrecht solle sich auf die schwersten sozial schädlichen Aktionen beschränken.

Strafverschärfungen, um Aktivisten abzuschrecken, forderten zuletzt etwa Innenminister Gerhard Karner und die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP). Dem widersprechen Birklbauer und Venier unisono - die aus Überzeugung handelnden Klimakleber könnten durch Strafverschärfungen stattdessen zu einer Art "Märtyrer" werden.

Aktivisten "effektiv zur Rechenschaft ziehen"

Auch im Entwurf eines Kapitels des "Zukunftsplanes 2030", an dem die Volkspartei seit der Rede "zur Zukunft der Nation" von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) arbeitet, wird nicht nur für Strafverschärfungen in der Straßenverkehrsordnung und Verschärfungen im Versammlungsgesetz appelliert, sondern auch dafür, einen neuen Straftatbestand im Strafgesetzbuch nach deutschem Vorbild zu schaffen. So sollen "Klimakleber effektiv zur Rechenschaft" gezogen werden.

In Deutschland wird Haft verhängt

In Deutschland wurden diese bereits zu Haftstrafen verurteilt, kann dort doch eine Straßenblockade bereits eine im Strafgesetzbuch verankerte Nötigung darstellen. Der deutsche Straftatbestand der Nötigung sei allerdings nicht anders formuliert als der österreichische, meint Birklbauer, einen neuen brauche es also nicht. Damit dieser zur Anwendung kommt, müssen Menschen durch Gewalt oder gefährlicher Drohung genötigt werden. Birklbauer ortet in Deutschland eine umstrittene, "eigentlich unzulässige Ausdehnung des Gesetzes", Venier spricht von einer "Vergeistigung des Gewaltbegriffs". Hierzulande erfordere Gewalt in der Regel eine körperliche Einwirkung, zum Beispiel ein Stoßen oder Schlagen.

Bestimmte Ermittlungsmaßnahmen für die Polizei - vor allem im Vorfeld - seien daran geknüpft, dass es ein gerichtlich strafbares Delikt gibt, mutmaßt Birklbauer, dass die Politik der Polizei durch die Verschärfungen mehr Überwachungskompetenzen erteilen wolle. Politischen Widerstand zu kriminalisieren und mit voller Härte polizeilich überwachen zu können, hält er für problematisch.

Verschärfung würde nicht nur Klima-Kleber treffen

In einer "profil"-Umfrage haben zuletzt mehr als drei Viertel der Österreicher angegeben, Haftstrafen gegen "Klimakleber" zu befürworten. Venier fordert jedoch auf, den Blick nicht zu verengen. Denn neue Bestimmungen würden nicht nur Demonstrationen der Klimaaktivisten betreffen, und bei anderen Anliegen herrsche womöglich eine andere Meinung vor. Er erinnert an die Besetzung der Hainburger Au im Jahr 1984, wo gegen ein geplantes Wasserkraftwerk demonstriert wurde. "Diese Leute wären wohl wegen Nötigung verurteilt worden, wenn man Blockaden damals als Gewalt angesehen hätte", meint er, "heute ist man froh, dass die Hainburger Au noch steht."

Auch in Österreich kann es bei Klimaprotesten zu Verwaltungsstrafdelikten, aber auch gerichtlichen Strafdelikten kommen, Birklbauer nennt etwa die Sachbeschädigung. Finde eine konkrete Gefährdung statt, würden beispielsweise Autos der Aktivisten vor einem Protest auf der Autobahn plötzlich stehen bleiben, anstatt stetig langsamer werden, so könne es ebenso zu strafrechtlicher Verfolgung kommen - etwa wegen der Gefährdung der körperlichen Sicherheit, erklärt Venier. Solche Fälle seien ihm jedoch derzeit nicht bekannt. Abruptes Abbremsen könne auch in Österreich als Nötigung qualifiziert werden, ergänzte Birklbauer.

Proteste lästig, aber nicht strafbar

Bloßes "Klimakleben" sei gerichtlich nicht strafbar, erklärt Birklbauer. Dass die Proteste lästig seien, bedeute noch lange nicht, dass es sich dabei um eine gerichtlich strafbare Aktivität handelt, meint auch Venier, der hier keinen Änderungsbedarf sieht. Versammlungsrecht und Straßenverkehrsordnung würden gewissen öffentlichen Interessen bereits Rechnung tragen, deshalb kommen auch Verwaltungsstrafen zum Einsatz.

Immer wieder werde allerdings "signalisiert, denen passiert nichts. Das stimmt nicht", meint Birklbauer. Zuletzt hatte beispielsweise das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich eine Beschwerde von Klimaaktivisten gegen ihnen von der Polizei erteilte Geldstrafen abgewiesen. Das "Sich-fest-Kleben" auf einer von Fahrzeugen benützten Straße wertete das Gericht als Störung der öffentlichen Ordnung.

Empfindliche Geld- und Arreststrafen

Überhaupt sei das Verwaltungsstrafrecht teilweise das schärfere Sanktionsmittel, gaben die Strafrechtsexperten zu bedenken. Es gebe hier etwa keine bedingte Strafnachsicht, außerdem gilt hier das Gebot der Kumulierung von Strafen, wodurch man, so Venier, für jedes Vergehen eine eigene Strafe bekomme. Sehr empfindliche Geld- und Arreststrafen seien möglich. Im gerichtlichen Strafrecht hingegen gelte das Absorptionsprinzip - man nehme die höchste Strafdrohung und bemesse die Strafe innerhalb dieser. Dem Verwaltungsstrafrecht fehle jedoch die stigmatisierende Wirkung, so Venier.

Bis zu drei Monate Haft konkret gegen jene "Klimakleber", die Einsatzfahrzeuge blockieren und damit andere gefährden, hatte Mikl-Leitner in einem Brief an Justizministerin Alma Zadic (Grüne) gefordert - sehr zum Missfallen der Grünen. Auch für das Blockieren von Einsatzfahrzeugen drohten bereits empfindliche Verwaltungsstrafen, sagt Venier, der keinen Grund für zusätzliche Regelungen sieht. Komme es zu einer konkreten Gefährdung und grober Fahrlässigkeit, so werde bereits jetzt das gerichtliche Strafrecht angewandt. Die von Mikl-Leitner geforderte Strafdrohung sei die niedrigste, die es im Strafrecht gibt, merkt Birklbauer außerdem an. Weil die Strafdrohung von bis zu drei Monaten Haft so niedrig sei, würden solche Fälle wohl mit einer Diversion erledigt werden.

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