Skandal

Jeder 
3. Pfarrer
 hat eine
 Geliebte

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Nach Skandal in Stützenhofen - 1.000 Priester leben „in Sünde“.

Längst liefert der Pfarr-Skandal von Stützenhofen Filmstoff à la Dornenvögel. Im Fokus des TV-Welterfolgs stand die dramatische Liebesgeschichte zwischen einem Priester und einer Farmerstochter.

In Niederösterreich kommt eine weitere Komponente hinzu: Pfarrer Gerhard Swierzek spielte sich als Moralapostel auf, lehnte den bekennenden Homosexuellen Florian Stangl (26) als Pfarrgemeinderat ab. Weil er keinen „dulde, der in Sünde lebt“.Dabei war der Pfarrer selbst ein „Sünder“, hatte eine stürmische Liebesbeziehung mit der Mezzo-Sporanistin Eva-Maria Mahrer (siehe Kasten rechts).

Gott oder Geliebte? Kirche kennt Problem, bleibt hart
Versteckt, verheimlicht, verleugnet – Liebe, die nicht sein darf, ist in der katholischen Kirche eher die Regel als ein Einzelfall. Hans Peter Hurka, Chef der Plattform „Wir sind Kirche“, geht davon aus, „dass rund 1.000 der zirka 3.300 Priester in Österreich in einer Liebesbeziehung leben“. Somit teilt jeder dritte Pfarrer Tisch und Bett mit einem Partner. Die Kirche kennt das Problem, verdrängt und versteckt es.

Mehr als 700 Priester haben in den vergangenen Jahrzehnten ihr Amt wegen Verstoßes gegen den Zölibat verloren, oder freiwillig aufgegeben . So wie Ex-Pfarrer Herbert Bartl, heute ein Psychotherapeut: „Hunderte Pfarren hätten keinen Priester mehr“, sagte er zu ÖSTERREICH: „Die meisten outen sich deshalb nicht, weil sie soziale Ängste haben – Priester sind ja weder arbeitslosen- noch sozialversichert.“ Ein anderer Ex-Priester, Richard Picker aus Wien, glaubt: „Höchstens 30 Prozent der geweihten Priester leben wirklich streng zölibatär.“

Laut italienischer Zeitung „La Stamba“ gilt Österreich im Vatikan „als besonders verrufenes Land bezüglich konkubinierender Priester“.

An die Öffentlichkeit gespült werden meist nur die spektakulären Fälle wie jener von Pfarrer Josef Friedl aus Ungenach (OÖ) und seiner Freundin Rosi. Pfarrer Friedl – er kämpfte für Kosovo-Flüchtling Arigona – war einer jener, die sich offen zur Lebensgemeinschaft bekannten. Friedl ist inzwischen pensioniert. Andere leben weiter im Beziehungsuntergrund: „Das ist gegen jedes Menschenrecht“, klagt Hans Peter Hurka von der Plattform „Wir sind Kirche“.

Lokalaugenschein: "Der Pfarrer soll jetzt weg"
Eine Kirche, 250 Einwohner, kein Gasthaus, kein Geschäft, Stützenhofen, das Dorf an der Grenze. Die wenigen, die wir am Donnerstag im Ort treffen, wollen sich zur Pfarr-Affäre nicht mehr öffentlich äußern.

Pensionist Franz Schuster (63) nimmt sich ein Herz, sagt: „Jeder wusste, dass der Pfarrer eine Freundin hatte. Schlimm empfinde ich bloß diese Doppelmoral. Jetzt lebt Hochwürden wie ein U-Boot – ich habe ihn seit Tagen nicht mehr gesehen. Kardinal Schönborn wird eine Entscheidung treffen müssen.“

Georg H., der seinen vollen Namen nicht nennen will, sieht es härter, direkter: „Vielleicht versteckt sich der Herr Pfarrer jetzt bei einer neuen Freundin. Der Pfarrer soll einpacken und endlich weggehen. Er ist ein falscher, hinterhältiger Mann.“

Hurka: „Kirche übt Druck auf Priester aus“

ÖSTERREICH: Der Pfarrer von Stützenhofen hatte eine Freundin …
Hans Peter Hurka: … das ist doch kein Einzelfall. Konservativ geschätzt gibt es in Österreich etwa 1.000 Priester, die in einer versteckten Beziehung leben, wahrscheinlich ist die Zahl noch höher. Die Organisation Priester ohne Amt spricht sogar davon, dass von den 3.300 Priestern in Österreich jeder Zweite Tisch und Bett mit einem anderen Menschen teilt. Offizielle Statistik darüber gibt es natürlich keine, das alles läuft im Untergrund.

ÖSTERREICH: Glaubt man Ihren Schätzungen, stellt das ein massives Problem für die Kirche dar …
Hurka: Vor allem ist es ein massives Problem für die Paare. Sie leben mit der Lüge und leiden unter enormem Druck der Kirchenleitung. Werden diese Beziehungen nämlich bekannt, ist das meist mit einem Berufsverbot verbunden.

ÖSTERREICH: Wie viel verdient ein Priester?
Hurka: Rund 1.500 bis 2.000 Euro im Monat. Das ist wenig für jemanden, der über ein abgeschlossenes Studium verfügt. Wo aber wendet sich ein arbeitsloser Theologe hin? Mitunter ist auch die Partnerin in der Kirche angestellt, da wird die soziale Problematik noch dramatischer.

ÖSTERREICH: Was müsste geändert werden?
Hurka: Partnerschaft, Familie, das sind Menschenrechte. Der Zölibat ist ein eindeutiger Verstoß dagegen. So ist im Laufe der Jahre eine regelrechte Subgesellschaft innerhalb der Kirche entstanden. Mit Freiheit hat das nichts zu tun.

ÖSTERREICH: Der Papst hat der Abschaffung des Zölibats erst zu Ostern eine klare Absage erteilt.
Hurka: Die Frage ist, ob der Papst das überhaupt noch in der Hand hat. Es legen doch weltweit Tausende Priester ihr Amt zurück, weil sie genug vom Schattendasein haben.

 

Stützenhofen: Eine Gemeinde in Aufruhr

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