Gerichtspsychiater:

'Natascha hat ihr Urvertrauen verloren'

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Für Gerichtspsychiater Reinhard Haller ist Natascha Kampuschs " Urvertrauen verloren gegangen".

Daher könne es zu einer Ablehnung der Eltern und des persönlichen Umfeldes kommen, wie dies auch bei anderen Entführungsopfern geschehe, so Haller. Er plädierte dafür, die Angehörigen ebenfalls zu betreuen, auch die Mutter von Wolfgang Priklopil.

„Ungewissheit ist entscheidend“
Der Fall, dass ein Kind seine Jugend in Einzelhaft erlebe, sei "tatsächlich ein Einzelfall ", sagte der Psychiater. "Ein zehnjähriges Mädchen ist aus dem Haus gegangen und kehrt als traumatisierte Frau heim." Mit einer normalen Gefangenschaft lasse sich das Geschehen auf jeden Fall nicht vergleichen: " Ein Häftling weiß, warum er in Haft ist. Das ist nicht so kafkaesk." Auch habe ein Verurteilter stets Informationen darüber, wann das Eingesperrtsein zu Ende gehen werde. "Die Ungewissheit ist in diesem Fall ein entscheidender Faktor", so Haller.

Ein robustes Mädchen
Für die junge Frau werde es auf jeden Fall schwierig, in ein normales Leben zurückzukehren, wenn auch nicht die Hölle auf sie warte. Der Heilungsprozess werde ein langfristiger sein: " Narben bleiben sicher zurück, aber hoffentlich keine offenen Wunden" , meinte der Sachverständige. "Sie scheint auch offensichtlich ein robuster Mensch zu sein."

Die derzeitige Abschirmung von Natascha Kampusch hält Haller für notwendig, um eine Schockreaktion hintan zu halten. "Sie steht jetzt im Mittelpunkt des Interesses. Das ist 180 Grad gegenteilig zu dem, was sie davor erlebt hat."

Noch dazu bestehe die Gefahr einer "Gegenkompensation": Als Ausgleich für die Isolation könne sie sich etwa "in ein nationales Vergnügen hineinstürzen", meinte er. Man dürfe daher nichts überstürzen: "Neben ihr als Person muss man auch ihre Interessen schützen."

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