ZiB2-Interview

Gehaltstransparenz: "Es muss Strafen geben"

Ab Juni treten neue EU-Vorgaben zur Gehaltstransparenz in Kraft, die auch in Österreich umgesetzt werden müssen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten mehr Rechte auf Auskunft, während Unternehmen ihre Vergütungsstrukturen offenlegen sollen. Die geplanten Regeln sorgen für Diskussionen. 

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit gilt als eines der fairsten Prinzipien am Arbeitsmarkt. Doch was mit dem neuen EU-Transparenzgesetz ab Juni Realität wird, bringt für viele Betriebe eine gewaltige Umstellung. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekommen deutlich mehr Einblick in Gehaltsstrukturen, Arbeitgeber geraten unter Rechtfertigungsdruck.

Wer künftig mehr wissen darf

"Ich darf wissen, wer in meiner Gruppe wie viel verdient", sagt Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak in der ZiB2. Namen werden nicht genannt, aber Einkommen werden nach Tätigkeitsgruppen und Geschlecht offengelegt. Genau das verändert die Spielregeln.

Beschäftigte sollen künftig nachvollziehen können, nach welchen Kriterien ihr Gehalt festgelegt wird. Dadurch wird sichtbar, wo man selbst im Vergleich zu anderen steht. Größere Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen zusätzlich regelmäßige Transparenzberichte veröffentlichen. Auskunft geben müssen aber alle Betriebe, auch kleine.

Datenschutz und Realität im Kleinbetrieb

Datenschutzfragen bleiben dabei nicht aus. In sehr kleinen Unternehmen lässt sich oft leicht erraten, wer gemeint ist. "In kleinen Betrieben weiß eh meistens jeder, was der andere verdient", sagt Körber-Risak. Die Umsetzung werde deshalb heikel, auch wenn mit Anonymisierung gearbeitet werde.

Wie Arbeit künftig bewertet werden soll

Ein zentrales Element der neuen Regeln ist die Bewertung von Tätigkeiten. Arbeitsplätze müssen nach objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien eingeordnet werden. Dazu zählen Kompetenzen, Verantwortung, Belastungen und Arbeitsbedingungen. Erst danach darf unterschiedlich bezahlt werden. "Das ist das ganz Neue an dieser Richtlinie", sagt Körber-Risak. Arbeitgeber müssten ihre gesamte Vergütungslogik überdenken.

Was auf den ersten Blick einfach klingt, entpuppt sich in der Praxis als kompliziert. Gleiche Arbeit ist schwer zu definieren. Individuelle Leistung, Qualifikation oder Erfahrung dürfen weiterhin berücksichtigt werden. Diese Unterschiede müssen aber transparent gemacht und sachlich begründet werden. Am Ende entscheiden Gerichte, ob diese Begründungen halten.

Sorge vor Lohn-Nivellierung

Vor allem aus der Wirtschaft kommt Kritik. Es gibt die Sorge vor einer Nivellierung der Gehälter durch mehr Transparenz. Arbeitgeber könnten versucht sein, Unterschiede zu glätten, um sich Erklärungen zu ersparen. Körber-Risak hält dagegen. Bestehende Gehälter nach unten anzupassen sei arbeitsrechtlich kaum möglich. "Traditionell entstandene Unterschiede, die nicht sachlich begründet sind, wird man hinterfragen müssen", sagt sie. Anpassungen würden im Zweifel eher nach oben erfolgen.

Verschwiegenheitsklauseln unzulässig

Eine weitere Neuerung betrifft das Reden über Gehalt. Gehaltsverschwiegenheit verliert ihre Wirkung. Vertragsklauseln, die Gespräche über das eigene Einkommen verbieten, werden unwirksam. "Solche Klauseln wären dann nicht mehr zulässig", sagt Körber-Risak.

Auch Bewerberinnen und Bewerber profitieren. Künftig reicht es nicht mehr, in Ausschreibungen nur das kollektivvertragliche Mindestgehalt zu nennen. Unternehmen müssen offenlegen, nach welchen Kriterien eine Stelle eingestuft wird. "Die Unternehmen brauchen Stellenbeschreibungen, die nach diesen Kriterien funktionieren", sagt Körber-Risak.

Warum das Gesetz noch immer fehlt

Dass der österreichische Gesetzestext noch immer nicht fertig ist, liegt an tiefen Systemunterschieden. Österreich regelt Bezahlung traditionell über Kollektivverträge. Die EU-Richtlinie setzt stark auf betriebliche Vergütungsstrukturen und stärkt die Mitbestimmung im Unternehmen. "Das ist für Österreich systemfremd", sagt Körber-Risak. Die Integration in das bestehende Modell sei schwierig.

Strafen als offene Baustelle

Offen ist auch die Frage der Sanktionen. Im aktuellen Entwurf gibt es noch Lücken. Fest steht nur, dass es Strafen geben muss. "Ohne Strafen wird das Gesetz nicht wirken", betont Körber-Risak. Über die Höhe werde noch verhandelt.

Das große Ziel bleibt die Verringerung des Gender-Pay-Gaps. Mehr Transparenz soll Betroffenen helfen, Entgeltdiskriminierung sichtbar zu machen und einzuklagen. Ein Selbstläufer ist das nicht. Jede Arbeitnehmerin müsse ihre Rechte selbst durchsetzen.

Klar ist nur eines. Ab Juni wird das Thema Gehalt so offen diskutiert wie nie zuvor. Für viele Unternehmen wird das unbequem. Für Beschäftigte eröffnet es neue Möglichkeiten. Leise wird diese Reform jedenfalls nicht kommen.

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