Die seit der Fahrplanänderung im Dezember des Vorjahres eingesetzten neuen Talent-Züge der ÖBB stoßen bei Pendlern auf zum Teil heftige Kritik.
Eine Internet-Homepage, die "Mängel" aus Sicht von Pendlern auflistet, hat nach Angaben der Initiatoren bereits mehr als 550 Unterstützer gefunden. Eine ÖBB-Sprecherin kündigte eine Prüfung der Kritikpunkte an. "Wir nehmen die Anliegen sehr ernst", sagte die Sprecherin auf auf APA-Anfrage. Grundsätzlich halten die ÖBB aber an ihren neuen Zügen fest.
Mängel-Liste
Ihren Frust bekunden die Pendler auf der
Homepage (http://pendler.iscool.net/) in Form eines Schreibens, das unter
anderem an die ÖBB, die Raaberbahn, das Land Burgenland und an das
Verkehrsministerium geschickt wurde. Die Klagen reichen von zu lauten
Durchsagen bei der Fahrgastinformation am frühen Morgen über "sehr laute"
Klimaanlagen, grelle Beleuchtung, mangelnden Sitzkomfort, zu geringen
Sitzabstand, das Fehlen von Armlehnen zwischen den Sitzen und
Ablagemöglichkeiten sowie unterdimensionierte Papierkörbe bis hin zu vollen,
weil zu klein dimensionierten WC-Behältern.
Forderung nach mehr Service
Nach dem Burgenland kommt auch aus
Tirol Kritik an den neuen Nahverkehrszügen. Darüber hinaus beklagt man in
Tirol vor allem die Abschaffung von Zugbegleitern in den neuen Zügen.
Abgesehen vom Hilfebedarf der immer älter werdenden Bevölkerung, von
Fahrgästen mit Kinderwagen oder behinderte Menschen sei Tirol auch ein
Tourismusland. "Ortsunkundige haben mehr Service notwendig",
erklärte Martin Teißl, Sprecher des "Arbeitskreises FAHRGAST
Tirol", am Dienstag in einer Pressemitteilung.
Fehlkonstruktion
Die Initiatoren der burgenländischen Homepage
sind der Meinung, dass der "Talent" nur für Kurzstrecken konzipiert worden
sei. "Bitte stellen sie uns solche Züge zur Verfügung, welche in Bezug auf
Ausstattung für Langstreckenpendler (Fahrzeit von 40 bis 90 Minuten)
konstruiert wurden", heißt es in dem Schreiben.
"Qualitätsgipfel"
Nach Bekanntwerden der
Beschwerden hat das Land Burgenland seinen Verkehrskoordinator beauftragt,
sich der Sache anzunehmen. Am vorigen Freitag habe es dazu einen
"Qualitätsgipfel" mit den ÖBB und der Raaberbahn gegeben, wo die
Talent-Garnituren eingesetzt sind, so Hofrat Thomas Perlaky zur APA. Dabei
sei man die Beschwerden durchgegangen, zum Teil sei bereits Abhilfe
geschaffen worden. Perlaky verwies jedoch darauf, dass etwa für die
mittlerweile reduzierte Lautstärke der Durchsagen und die Intensität der
Beleuchtung aus Gründen der Sicherheit und des Arbeitnehmerschutzes jeweils
Mindestwerte vorgeschrieben seien.
Bemühungen
Er habe den Eindruck, die ÖBB und die Raaberbahn
seien bemüht: "Das was änderbar ist, wird geändert", meinte Perlaky. Aber
alle Züge nach Pendlerwünschen umzubauen, sei nicht möglich. Das Burgenland
könne außerdem "nur Zugleistungen bestellen", bei der Qualität sei der
Talent derzeit Standard. Das Land habe sich bereit erklärt, zusätzliches
Geld bereitzustellen, damit eine Qualitätsverbesserung erfolgt. "Das ist
auch geschehen", so sei etwa feststellbar, dass die Pünktlichkeit gestiegen
sei. "Aus unserer Sicht haben wir das Richtige getan", so der
Verkehrskoordinator.
ÖBB glaubt an Erfolg
Bei den ÖBB versichert man, der Talent
sei ein "sehr gutes Fahrzeug" und entspreche der neuesten Technik. In
anderen Regionen - etwa in Vorarlberg und Tirol - komme der Zug jedoch sehr
gut an und stoße auf keinerlei Proteste. In Umfragen im Ländle habe der
Talent im Durchschnitt die Schulnote 1,5 erhalten, so die Sprecherin.
Eindrücke über Beleuchtung oder Sitzkomfort seien oft subjektiv. Die
Fahrgastbeschwerden aus dem Burgenland würden völlig "mit
Recht" vorgebracht, konterte hingegen Martin Teißl.
"Hervorragendes Fahrgefühl"
Die neuen Züge würden
dank Luftfederung und Geräuschisolation ein "hervorragendes Fahrgefühl"
vermitteln. Die von manchen als zu laut kritisierte Klimaanlage ermöglichten
eine ganzjährige Wagentemperatur von rund 21 Grad. Die Niederflur-Einstieg
ermögliche Personen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer ein leichteres Ein-
und Aussteigen. Und schließlich seien die Züge dank schnellerer
Beschleunigung und einer höheren Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h auch
noch pünktlicher, argumentiert man bei den Bundesbahnen.
In ganz Österreich sind derzeit schon etwa hundert Talent-Garnituren unterwegs, insgesamt haben die ÖBB davon 171 bestellt.