So viele Tote wie nie

Ski-Piste als Todes-Falle

Teilen

Extreme Pistenverhältnisse, keine Sturzräume führen zu einer Todes-Serie.

Innsbruck. Mieke (12) aus Holland verunglückte auf der Spieljochabfahrt im Zillertal: Sie stürzte, fiel in ein Waldstück – multiple Verletzungen. Das Mädchen starb. Es trug einen Helm. Zwei 17-jährige Deutsche verunglückten im Skigebiet Steinplatte-Waidring in den Kitzbüheler Alpen. Beide wurden 50 Meter durch die Luft in eine steinige Almwiese katapultiert. In St. Anton prallte ein Belgier gegen einen Baum.

Extrem. Seit 1. November starben 13 Menschen in Österreichs Skigebieten, davon elf in Tirol. So viele wie noch nie. Jetzt herrscht Alarmstufe Rot. Über Konsequenzen wird diskutiert. Als Hauptgrund werden die schwierigen Pistenverhältnisse genannt. Zu warm, kaum Schnee: „Überall fehlen Sturzräume“, so Franz Markart, Chef-Ausbilder der Tiroler Alpinpolizei. Die Fahrer stürzen nach kleinsten Fehlern, Selbstüberschätzung oder zu hohem ­Tempo über den Pistenrand. Auch macht der erzeugte Kunstschnee die Pisten bereits in der Früh „pickelhart“.

Peter Paal, Präsident des Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS), appelliert an die Eigenverantwortung der Skifahrer. Nach Corna-Pause mangle es oft an „Ski-Fitness“, warnt er. Andere, wie der Ex-Skischulchef Franz Klimmer aus St. Anton, wollen die Anzahl der Skifahrer auf den Pisten reduziert wissen. Paal spricht sich vehement gegen Pistensperren aus. Verbote und Wegsperren seien das „Allerletzte“, sagt er. Andreas Ermacora vom Alpenverein ergänzt, dass es für die Betreiber derzeit schwierig ist, das richtige Maß zu finden. Auch können Pistenbetreiber rechtlich nicht für atypische Unfälle belangt werden.

Franz Klimmer, Ex-Skischulchef in St. Anton:

Skilehrer: "Nehmt Pisten-Rasern die Skipässe ab"

ÖSTERREICH: Was würden Sie gegen die Zunahme der Unfälle tun?

Franz Klimmer: Ich bin seit 60 Jahren Skilehrer in St. Anton am Arlberg, aber so etwas habe ich selten zuvor gesehen. Es ist frustrierend, wie viele Menschen sich derzeit auf den Pisten tummeln. Viele Abfahrten sind ­wegen des akuten Schneemangels gesperrt, die Zahl der Skifahrer wird aber nicht reduziert. Allein in St. Anton haben wir rund 18.000 Skifahrer pro Tag. Auch hat die Aggression und extreme Rücksichtslosigkeit auf den Pisten enorm zugenommen. Es ist schade um den Skisport.

ÖSTERREICH: Was müsste unternommen werden?

Klimmer: Die Pistenpolizei bräuchte ein Durchgriffsrecht, sie müsste Liftkarten entziehen können. Auch die Liftindustrie ist gefordert. Der ­Appell an Eigenverantwortung der Skifahrer nützt doch nichts. Es müsste die Zahl der Skifahrer bei derartigen Bedingungen scharf reduziert werden.

Franz Markart, Alpine Einsatzgruppe Tirol:

Alpinpolizist: "Wir dürfen keine Skipässe abnehmen"

ÖSTERREICH: Warum die massiven Unfallzahlen?

Franz Markart: Die Leute fahren teilweise über ihre Verhältnisse, die Pisten sind trotz Schneemangels top-präpariert, es gibt keine Sturzräume. Die Fahrer stürzen, rutschen über die ­Piste hinaus, da sind Felsen und Bäume. Deshalb die Zahl der Verletzungen.

ÖSTERREICH: Kann die ­Alpinpolizei Pistenrowdys die Liftkarten abnehmen?

Markart: Nein, das ist nicht möglich. Wir können niemandem den Skipass abnehmen. Wir sind für die Unfallaufnahme zuständig. Die Zahl der Skiunfälle insgesamt hat abgenommen, nach oben gehen die tödlichen Unfälle.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.