Der Fall Kellermayr endete zuletzt mit einem Freispruch für einen Impf-Gegner aus Bayern, während der schlimmste Feind der Ärztin, die Suizid beging, noch gesucht wird. Indes werden wieder neue Details bekannt. Eines sollte auch der Exekutive, die nicht dafür belangt wurde, zu denken geben.
OÖ, Wien. Wie auf einer Wikipedia-Seite, die wohl von Freunden der verstorbenen Ärztin aus Seewalchen am Attersee eingerichtet und betreut wird, hätten die Drohungen gegen Lisa-Maria Kellermayr begonnen, als die Ärztin am 16. November 2021 Teilnehmer einer „Demonstration gegen die Impfpflicht von Gesundheitspersonal“ vor dem Klinikum in Wels auf Twitter dafür kritisierte, den Haupteingang des Spitals sowie die Rettungsausfahrt zu blockieren. Später stellte sich heraus, dass eine zweite Zufahrt stets offen gewesen war. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich antwortete auf Twitter (jetzt X) und bezeichnete Kellermayrs Tweet als „Falschmeldung“.
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Die damals 37-jährige Medizinerin löschte ihren Tweet und bat die Polizei, ihr Posting ebenfalls zu löschen. Denn, so twitterte Kellermayr: „Dieser Tweet ist Grundlage für eine Flut an Beschimpfungen, Verleumdungen, Drohungen und größten Anstrengungen von Anhängern der Szene, mir größtmöglichen Schaden zuzufügen. Er dient als Begründung, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Hexe.“ Heftig: Die Polizei soll nicht reagiert und ihren Tweet auch Monate später nicht gelöscht haben, als der Fall längst immer größere Kreise zog. Jedenfalls wurde Kellermayr - so die Vorwürfe ihres Umfelds - erst durch den Tweet der Polizei in Kreisen radikaler Impfgegner bekannt und Zielscheibe von Morddrohungen, Einschüchterungen und heftigen Beschimpfungen.
Claas drohte Ärztin zu "schlachten und zu "foltern"
Mehrere Drohungen bekam Kellermayr etwa von einer Anti-Impf-Rambo, der sich „Claas der Killer“ nannte. Er drohte, die Ärztin zu „schlachten“, allerdings erst, nachdem er „die Wände der Ordination mit den Gehirnen Deiner Mitarbeiter gestrichen" habe. Er werde sie „betäuben und in einem Keller foltern“, schrieb er ein weiteres Mal. Andere drohten mit der „Schrotflinte“ oder einer „tödlichen Impfdosis". Im Prozess vergangene Woche schilderte eine Bekannte: "Die Lisa hat schwerste Angstzustände gehabt. Für sie war das ein Lynchmob", wegen dem sie sich letzten Endes das Leben genommen haben soll.
Jedoch: Die Identität von "Claas der Killer", vermutlich ein Deutscher, konnte bis heute nicht gelüftet werden. Geschickt gelang es ihm offenbar, sämtliche Spuren im Internet zu verwischen. Gegen ihn wird wegen gefährlicher Drohung mit Todesfolge ermittelt.
Der angeklagte und freigesprochene Bayer am Landesgericht in Wels.
Im Fall des nicht rechtskräftigen Freispruches gegen den 61-Jährigen Unternehmer aus Starnberg in Bayern - er soll Kellermayr im Netz unter anderem angedroht haben, sie wegen ihrer Äußerungen zu Corona vor ein "Volkstribunal" zu stellen und sie "auf die Anklagebank und dann sicher ins Gefängnis" zu bringen - hat die Staatsanwalt sich noch bis Montag Bedenkzeit erbeten, ob gegen das im öffentlichen Diskurs durchaus umstrittene Urteil Rechtsmittel eingelegt werden: Das Landesgericht Wels sprach den mehrfach vorbestraften Unternehmer am Mittwoch vom Vorwurf frei, die Medizinerin am im Sommer 2022 in den Selbstmord getrieben zu haben. Er habe ja nicht wissen können, wie psychisch labil die junge Frau war, so die Richterin nach viertägigem Prozess.
„Nicht jede Tragödie ist ein Verbrechen, und nicht jedes Opfer hat auch einen Täter“, bedauerte die Verteidigerin des angeklagten Bayern. Dagegen nannte der Staatsanwalt die Drohungen des selbsternannten "Volkstribunen" als zentral für Kellermayrs Suizid – weil er von den anderen Morddrohungen gewusst und trotzdem weitergemacht habe: „Er wollte dem Ganzen noch eins draufsetzen.“ Nicht zuletzt deswegen habe die Oberösterreicherin ihre Praxis mit Sicherheitstechnik und einem Panik-Raum ausgestattet sowie Security-Kräfte engagiert und sich damit auch wirtschaftlich übernommen, was ihr jetzt als wahres Motiv für ihre Verzweiflungstat unterstellt wird.
Ob die Causa in Deutschland weiterverfolgt wird, ist übrigens höchst ungewiss. Das bei der Generalstaatsanwaltschaft München geführte Ermittlungsverfahren war nämlich vorläufig eingestellt worden, eine Wideraufnahme wird nur "geprüft". Man kann leider ahnen, auf was das hinausläuft . . .