Nach dem Freispruch von zehn jungen Männern im Prozess um geschlechtliche Nötigung und Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung einer 12-Jährigen spricht jetzt die Mutter des Opfers. "Für meine Tochter ist eine Welt zusammengebrochen", sagt sie zu "Bild".
Wien. Nach wie vor herrscht helle Aufregung nach dem Freispruch von zehn Talahon-Burschen, die in Favoriten eine damals 12-Jährige sexuell genötigt und ihre sexuelle Selbstbestimmung verletzt haben sollen. Der Fall des Mädchens (heute 14 Jahre alt) sorgte für Entsetzen: In Parkhäusern, Wohnungen und sogar Kinderzimmern rund um den Wiener Antonsplatz (Favoriten) soll die Schülerin laut Anklage mehrfach zum Sex gezwungen worden sein. Als Beweismittel gilt ein heimlich aufgenommenes Video, das sie mit mehreren Jugendlichen zeigt. Darauf ist die Stimme des Mädchens zu hören: "Hör auf!"
Das sagt das Gericht über die Urteilsbegründung
Das Landesgerichts für Strafsachen in Wien sagt über die Urteilsbegründung: Der Senat lege dar, "dass es in den Angaben der Hauptzeugin große Widersprüche gab, insbesondere zwischen den bei der Polizei getätigten Aussagen und jenen im Rahmen der kontradiktorischen Einvernahme vor Gericht. Auch die eingesehenen Chatverläufe verstärkten diesen Eindruck. Eine im Hauptverfahren gehörte Zeugin, die damals engen Kontakt mit dem Mädchen hatte, bestätigte die Schilderungen ebenfalls nicht, vielmehr berichtete sie, dass ihre Freundin zwar von sexuellen Handlungen, aber weder von Gewalt noch von Vorfällen gegen ihren Willen erzählt habe."
Opfer-Anwalt ist fassungslos
Sascha Flatz, der Anwalt der damals 12-Jährigen, ist laut "Bild" fassungslos über das Urteil und versteht nicht, dass das Gericht nur auf angebliche Widersprüche in der Aussage des Kindes einging: "Ein Nein ist ein Nein. Sie sagt in einem Video klar: 'Hör auf'."
Verteidiger der Angeklagten stellen ihre Mandanten anders dar
Die Verteidiger der Angeklagten stellten ihre Mandanten laut "Bild" gänzlich anders dar. "Die Dame ist freiwillig mitgegangen", behauptete etwa einer. Ein anderer sagte im Prozess: "Sie waren sicherlich hartnäckig, wenn es darum ging, ihre sexuellen Wünsche durchzusetzen." Ein weiterer Verteidiger griff demnach sogar die Mutter der damals 12-Jährigen an – er sagte: "Einem Mädchen aus gesunden Familienverhältnissen wäre das nicht passiert. Die Eltern sind angehalten, mit dem Mädel ordentlich was zu machen!"
Mutter des Opfers: "Ich verstehe die Justiz nicht mehr"
Die Mutter der damals 12-Jährigen sagt nach dem Prozess gegenüber "Bild": "Ich verstehe die Justiz nicht mehr: Warum wird mir die Schuld gegeben, dass ich nicht besser aufgepasst hätte?". Drei Monate lang habe ihr kein Lehrer mitgeteilt, dass sie nicht zur Schule ging. "Ich lief zum Jugendamt und sagte, dass mit meinem Kind etwas nicht stimmt. Doch niemand glaubte mir, niemand half mir", so die Mutter des Opfers, die laut Medienbericht weinend vor dem Gerichtssaal des Landesgerichts zusammengebrochen sein soll.