An Wiener Polytechnikum

Mitschüler gequält: 15-Jähriger in Wien verurteilt

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Neun Monate teilbedingt für fortgesetzte Gewaltausübung. Das Urteil ist rechtskräftig.

Ein 15-Jähriger, der an einer Polytechnischen Schule in Wien-Brigittenau einen körperlich unterlegenen Klassenkameraden von September 2018 bis April 2019 mit zwei Komplizen beinahe täglich geschlagen, geohrfeigt und getreten hatte, ist am Mittwoch am Landesgericht wegen fortgesetzter Gewaltausübung verurteilt worden. Ein Schöffensenat verhängte neun Monate Haft, davon drei Monate unbedingt.

Der wegen Raubes bereits vorbestrafte Jugendliche war Anfang April festgenommen worden, nachdem der malträtierte Mitschüler in Begleitung seiner Mutter bei der Polizei Anzeige erstattet hatte. Seither saß er in U-Haft. Da ihm dieser Zeitraum auf den unbedingten Strafteil anzurechnen war, wurde der Bursch nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt.

Das Gericht erteilte ihm jedoch die Weisung, sich einer Psychotherapie zu unterziehen. "Üben Sie den Kampfsport dort aus, wo er hingehört", meinte Richterin Martina Frank unter Bezugnahme auf die Mitgliedschaft des 15-Jährigen in einem Verein, wo er Mixed Martial Arts (MMA) betreibt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Schläge, Tritte & Co.

Als der von den Misshandlungen betroffene Schüler im September 2018 zu Schulbeginn in die Klasse kam, hätten der Angeklagte und zwei andere Mitschüler - gegen die beiden wird von der Staatsanwaltschaft separat ermittelt, sie bekommen einen eigenen Prozess - mit ihm "Sparring gemacht", schilderte dieser dem Gericht. Am Anfang habe er mitgemacht, "weil ich am Poly nicht viele Freunde hatte". Danach sei er "reingezogen" worden.

Laut Anklage wurde er in den Pausen mit Faustschlägen gegen Kopf, Oberkörper und Bauch sowie Fußtritten bedacht. Regelmäßig waren Blutergüsse zu sehen. Er sei vor der gesamten Klasse als "leibeigener Boxsack" behandelt worden, Schüler aus anderen Klassen wären eingeladen worden, ihn ebenfalls zu schlagen, hatte der Betroffene der Polizei erzählt.

Die Lehrer hätten die Übergriffe zum Teil mitbekommen, bekräftigte der Betroffene in der Verhandlung. Ein Mal sei er nach einem verlorenen Kartenspiel im Klassenzimmer von einem Mittäter bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden. Dabei habe ein Lehrer von der Tür aus zugesehen. "Er hat aber nichts gemacht", bemerkte der Zeuge unter Wahrheitspflicht.

"Ich bin 1.000 Mal zu Lehrern gelaufen", gab der Betroffene zu Protokoll, der in der Verhandlung bemüht war, die Vorfälle zu verharmlosen. "Können Sie mir helfen? Die jagen mich", habe er bei der Lehrerschaft Hilfe gesucht. "Aber die stehen nur da und sagen nichts", beschrieb der Jugendliche die Reaktion der Pädagogen.

Suspendiert

Seitens der Bildungsdirektion für Wien hieß es dazu am Mittwochnachmittag, die Vorgänge an der Schule seien nach Bekanntwerden der Vorwürfe eingehend untersucht worden. Die tatverdächtigen Schüler habe man suspendiert. Für die Lehrerschaft gab es keine Konsequenzen. In Bezug auf den behaupteten Würgeakt habe der zuständige Inspektor Gespräche mit der Schulleitung und den Lehrern geführt. "Es schien alles korrekt verlaufen zu sein", meinte Mathias Meissner, der Sprecher der Bildungsdirektion, gegenüber der APA. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen den des beim Würgen Wegsehens bezichtigten Lehrer eingestellt hatte, gab es keine weiteren Konsequenzen.

Der angeklagte 15-Jährige war vor Gericht umfassend geständig. Er habe den Schwächeren "abhärten" wollen, hatte er schon im Ermittlungsverfahren eingeräumt. Nun gab er ergänzend an, er habe "die Anerkennung der anderen Mitschüler" gesucht. "Ich habe diesen Weg gesehen. Ich hätte nachdenken sollen, was ich mache", meinte der 15-Jährige. Er habe "normal mit ihm gerauft. Ich hab' nie gedacht, dass es für ihn so hart war".

Ein Mal hatte der Bursch den schwächeren Mitschüler mit einer Schere verfolgt und auf diesen einzustechen versucht. Der Betroffene konnte ausweichen, so dass er lediglich am Oberarm getroffen wurde. Dazu behauptete der Angeklagte, die Schere wäre stumpf gewesen: "Ich hab' nicht gedacht, dass sie was anrichten kann. Ich wollte ihn nicht ernsthaft verletzen. Das hat sich so ergeben." Auch mit einem Zirkel wurde der 15-Jährige bei einer anderen Gelegenheit gestochen.

Der psychiatrischen Sachverständigen Adelheid Kastner zufolge trat beim gequälten Schüler eine Anpassungsstörung auf. Inzwischen sei er bestrebt, das ihm Widerfahrene "kleinzureden." "Er hat die ausgeprägte Tendenz, die Abläufe zu bagatellisieren", stellte Kastner klar. Dessen ungeachtet sei die psychische Beeinträchtigung einer längere Zeit andauernden Gesundheitsschädigung und damit einer Körperverletzung gleichzusetzen.
 

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