ÖSTERREICH sprach mit der Hauptzeugin des Falles. Anna B. erlebte die Bluttat hautnah mit.
Wien. „Er hat direkt an mir vorbeigeschossen.“ Anna B. (31, Name geändert) versucht, sich zu sammeln. Sie hat seit der schrecklichen Tat weder gegessen noch geschlafen. Am 4. November saßen sie und das Opfer Andreas U. einander gegenüber im Innenhof ihres Gemeindebaus, sahen YouTube-Videos und plauderten. Dann kam Alois H. plötzlich auf sie zu, den sie zuerst nur aus der Ferne gesehen hatten.
„Er hat sich neben mich gestellt und Andreas angestarrt. Sekundenlang. Mir war das so unangenehm, dass ich versuchte, ein Gespräch aufzubauen. Ich fragte, wie es ihm geht, und fing an, über das Wetter zu reden. Alois reagierte nicht auf mich. Er zitterte, wirkte nervös. Plötzlich zog er eine Waffe und richtete sie wieder sekundenlang auf Andreas. Andreas versuchte, die Situation durch ein Lächeln aufzulockern. Dann begriff er den Ernst der Lage. Er bewegte sich hin und her, als wolle er ausweichen. Hielt sich den Arm vor das Gesicht. Der Täter war ganz ruhig und sagte richtig psychopathisch: ‚Geh, bleib endlich still, es ist gleich vorbei.‘ Ich dachte, das sei ein Streich. Doch dann drückte er ab. Ich sah nur, wie Andreas auf die Seite kippte. Daraufhin folgte ein Geräusch, als hätte jemand einen Eimer Wasser ausgeleert. Ich war fassungslos. Der Boden war rot. Ich dachte, ich bin die Nächste, rannte weg, stolperte und fiel. Ich befürchtete, er würde mich einholen, und richtete mich auf. Dabei sah ich, wie der Alois ganz ruhig, spazierend in Richtung Parkplatz ging.“
Nach der Tat flüchtete der zuletzt arbeitslose Tischler Alois H., der als Hausarbeiter bei der Feuerwehr gejobbt hatte und gekündigt worden war, mit seinem beigen Auto. Die Polizei fahndete mit Cobra, WEGA und einem Polizeihelikopter nach ihm, was in dem Heurigengrätzel Neustift am Walde für Aufsehen sorgte.
Um 5.10 Uhr am nächsten Tag kreuzte der Verdächtigte selbst bei der Polizei auf: „Ich bin der Gesuchte.“ Das waren die letzten Worte. Seither verweigert er jede Aussage. Für Alois H. gilt die Unschuldsvermutung.