Hernals

Ein Toter

Wohnung in Wien-Hernals gesprengt: Mordprozess

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56-Jähriger wollte sich laut Anklage für Delogierung rächen.

Ein 56-jähriger Mann muss ich am Mittwoch vor Wiener Geschworenen verantworten, weil er am 26. Jänner 2017 seine Wohnung in der Hernalser Hauptstraße vorsätzlich in die Luft gesprengt haben soll. Der Hausverwalter kam dabei ums Leben. Die Anklage lautet auf Mord und - bezogen auf die weiteren im Explosions-Zeitpunkt im Gebäude befindlichen Personen - 23-fachen Mordversuch.

Der Angeklagte soll aus Rache gehandelt haben, weil der Hausverwalter seine Delogierung wegen offener Mietrückstände betrieben hatte. Um 7.30 Uhr sollte die Wohnung des 56-Jährigen geräumt werden. Als sich mehrere Personen vor seiner Tür versammelten, entzündete der Mann der Anklage zufolge ein Benzin-Luftgemisch, das sich in seinen Räumlichkeiten gebildet hatte, nachdem er den Gaszähler demontiert und das Ventil aufgedreht hatte. Die Verhandlung ist bis zum 4. Dezember anberaumt.

"Zufällige Zündung ist ausgeschlossen"

Für Staatsanwältin Carmen Kainz steht fest, dass der Angeklagte seine Wohnung in der Hernalser Hauptstraße mit Tötungsvorsatz in die Luft gesprengt hat. "Eine zufällige Zündung ist ausgeschlossen", meinte sie unter Bezugnahme auf die Feststellungen von beigezogenen Sachverständigen. "Mein Mandant hat nichts gezündet. Er hat keine strafbare Handlung begangen", sagte Verteidigerin Romana Zeh-Gindl.

Laut Anklage montierte der 56-Jährige den Gaszähler in seiner Wohnung ab, drehte das Gasleitungsventil auf und ließ Gas ausströmen. "Er hat sich ungerecht behandelt gefühlt. Er hat beschlossen, er wird die Wohnung nicht verlassen, er wird seine Wohnung in die Luft sprengen", stellte die Anklägerin fest. Als er in der Früh Geräusche an der Tür hörte, habe der Angeklagte das Gas-Luft-Gemisch gezündet.

Dabei dürfte der Mieter - folgt man der Anklage - seinen eigenen Tod mit in Kauf genommen haben. Der Mann wurde aus seiner ebenerdig gelegenen Wohnung durch das weggerissene Fenster ins Freie geschleudert. Er wurde schwer verletzt. Auf Krücken gestützt schleppte er sich nun in den Gerichtssaal. Während der Verhandlung erschienen zwei Krankenschwestern der Justizanstalt, wo sich der 56-Jährige in U-Haft befindet, und versorgten diesen mit Schmerztabletten.

"Verkettung unglücklicher Umstände"

Seine Rechtsvertreterin führte die Explosion auf eine "Verkettung unglücklicher Umstände" zurück. Ihr Mandant habe "niemandem ein Leid antun wollen", versicherte Zeh-Gindl. Schon länger sei in dessen Wohnung Gas ausgeströmt. Der 56-Jährige habe den Schaden aus Geldmangel selbst beheben wollen und daher den Gaszähler abmontiert. Der Gaszähler sei ursprünglich "falsch" installiert worden, Dichtungen hätten gefehlt, meinte die Verteidigerin. Der 56-Jährige, der abgesehen von finanziellen Zuwendungen seiner 78 Jahre alten Mutter über keine finanziellen Mittel verfügte, hätte immer alles in Eigenregie erledigt. "Er hat keinen Gashahn manipuliert, kein Gasventil aufgedreht", bekräftigte die Verteidigerin.

Der Angeklagte behauptete in seiner anschließenden Einvernahme, er sei von der Explosion völlig überrascht worden. Ihm sei seit Monaten aufgrund der offenbar lecken Gasleitung immer schlecht geworden. Auf Vorhalt der vorsitzenden Richterin, dass er den Erhebungen zufolge doch seit Monaten weder Strom noch Gas bezog, erwiderte der Angeklagte: "Das stimmt nicht." Er habe unmittelbar vor der Detonation ferngeschaut, ein Heizstrahler sei eingeschaltet, der Kühlschrank und der Gas-Herd in Betrieb gewesen. Möglicherweise sei es aufgrund des Funkenflugs zur Explosion gekommen.

Fortsetzung am 28. November

Die Verhandlung wird am 28. November fortgesetzt. Neben weiteren Zeugen werden noch zwei Gerichtsmediziner, ein Sachverständiger für Gasgeräte und Gasleitungsanlagen sowie ein Experte für Brand- und Explosionsermittlung aussagen.

Von Bedeutung ist außerdem der Auftritt von Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer, der den Angeklagten im Ermittlungsverfahren untersucht hat. Er bescheinigt dem Mann eine kombinierte Persönlichkeitsstörung. Die Diskretionsfähigkeit des Angeklagten ist laut Dantendorfer "noch erhalten", die Dispositionsfähigkeit "herabgemindert". Im Tatzeitpunkt war dem Gutachter zufolge Zurechnungsfähigkeit und damit Schuldfähigkeit gegeben.

Der Psychiater hält den Angeklagten allerdings für derart gefährlich, dass er sich in seinem vorliegenden schriftlichen Gutachten für den Fall eines Schuldspruchs für eine Unterbringung im Maßnahmenvollzug ausgesprochen hat. Dort wäre eine die Haft begleitende therapeutische Behandlung gewährleistet. Auf Basis dieser Ausführungen hat die Staatsanwaltschaft gemäß Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch (StGB) zusätzlich zu einer Verurteilung im Sinn der Anklage die Einweisung des 56-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.

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