Nach Entgleisung

"Wir überlebten im Todeszug"

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Drei Steirer waren an Bord des Schweizer Glacier-Express

„Es ist schon pikant, dass ich zum Abschied meiner Karriere so ein Desaster erlebe“, sagt der bekannteste Eisenbahn-Experte Österreichs, Klaus Rießberger. Der Grazer, seine Frau Hannelore und Enkerl Philipp (9) waren am Freitag an Bord des Glacier-Express im Oberwallis in der Schweiz. Auf einer Steigung der Panoramastrecke mit 219 Brücken entgleiste der „langsamste Schnellzug der Welt“, eine japanische Touristin starb, 42 weitere Passagiere wurden verletzt.

Mittendrin im Chaos
Vor einem Jahr war der Schienenfahrzeug-Pionier, TU-Professor, Diplomingenieur und Mister Koralm-Tunnel in Pension gegangen. Jetzt genehmigte sich Klaus Rießberger eine Fahrt mit der „schönsten Eisenbahn außerhalb Österreichs“ – und war mit seiner Familie auf einmal mittendrin im Chaos aus „Gekreische und Geschrei“, Blut und Glasscherben und eingedrückten Waggons.

Heimreise im Flugzeug
Im Österreich-Interview schildert der Eisenbahn-Guru (68), wie die drei das Horror-Erlebnis überstanden, wie sie sich selbst, aber auch Mitreisende retteten – und wie sie am Ende am Sonntag mit dem Flugzeug heim nach Graz reisten: „Das war eine reine Kostenfrage“, sagt er augenzwinkernd. Und fügt hinzu „Ich bin zwar schon einmal vor 30 Jahren in München mit dem Hellas-Express entgleist. Aber diesmal war es wirklich sehr ernst.“

ÖSTERREICH: Hat sich das Unglück angekündigt?

Klaus Riessberger: Wir sind um 10 Uhr von Zermatt los. Wir fuhren 1. Klasse, das Essen wurde serviert, dann kam bei Flirsch ein Kehrtunnel, und danach hat es einen Rumpler gegeben.

ÖSTERREICH: Das war’s?

Riessberger: Ich hab mir nicht viel dabei gedacht, aber dann hat der Waggon begonnen, sich zu neigen. Es ging alles so schnell und ich hab’s zuerst nicht für möglich gehalten, dass wir auf die Seite fliegen.

ÖSTERREICH: Was meinen Sie damit?

Riessberger: Wir sind an der Bergseite gesessen und auf jene Leute, die auf der Talseite saßen, draufgefallen. Ich hab mich mit den Händen abfangen können, damit ich den, auf dem ich gelandet bin, nicht verletze. Dabei hab ich mir in mächtiges Cut am Hirn zugezogen, das mit vier Stichen genäht werden musste. Meine Frau hatte eine sieben Zentimeter lange Platzwunde am Kopf. Und der Bub, der oben beim Fenster gesessen ist, ist ganz weich auf uns gelandet. Der hat sich überhaupt nichts getan.

ÖSTERREICH: Wie war die Situation im Waggon?

Riessberger: Da war ein großes Gekreische und Geschrei, und dann hab ich sehr energisch Ruhe geschaffen. Gleichzeitig hab ich begonnen, die Scheiben einzutreten und die Leute herauszuholen. Wir hatten zum Glück nur einen Eingeklemmten, der Reisegruppe im Wagen hinter uns ist es viel schlechter ergangen. Dort gab es eine Tote und keiner konnte raus, weil der Waggon abrutschte und alle Türen verklemmt waren.

ÖSTERREICH: Wie wurden Sie selbst gerettet?

Riessberger: Feuerwehr, Rettung und Hubschrauber kamen. Wir wurden in ein nahes Ferienheim, das zum Notlager umfunktioniert wurde, gebracht und dort gab’s eine Tomatensuppe und Brot. Irgendwie hat das beruhigt.

ÖSTERREICH: Und weiter? Riessberger: Ich wollte wissen, warum das alles passiert ist, aber meine Frau hat sich dahingehend geäußert, dass ich sie nicht allein lassen kann. Und ein bisserl feig war ich auch, weil noch jede Menge Drähte von der Oberleitung heruntergehangen sind. Ich bin trotzdem noch einmal in den Waggon hinein und hab das Gepäck geborgen. Dann bekamen wir ein Schild um den Hals, das uns als Verletzte deklarierte und schließlich ging es mit der Rettung ins Spital. Dort wurden die Wunden genäht.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen jetzt?

Riessberger: Wir haben den Urlaub um einen Tag verkürzt. Wir sind froh, überlebt zu haben.

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