Um die Unternehmer zu beruhigen, sollen Lehrlinge über die Rot-Weiß-Rot-Card kommen.
Mehr als die Hälfte der Österreicher hat kein Verständnis dafür, dass Asylwerber während ihrer Lehre abgeschoben werden. Das ergibt die aktuelle Research-Affairs-Umfrage für ÖSTERREICH. 58 % sind für eine Aussetzung der Abschiebung während der Lehre, nur 42 % dagegen.
1.300 Asylberechtigte suchen eine Lehrstelle
Doch die Regierung geht jetzt noch einen Schritt weiter und verbietet Asylwerbern überhaupt, einen Lehre zu beginnen. Das hat einen Aufstand von Unternehmern, die händeringend nach Lehrlingen suchen, sowie von Opposition und NGOs zur Folge. „Das ist unmenschlich und dämlich“, sagt etwa der Unternehmer Hannes Androsch (SPÖ) zu ÖSTERREICH. Caritas-Präsident Michael Landau sagt: „Ich halte das für eine völlige Fehlentscheidung.“ FP-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein muss nun einen Erlass von 2012 zurückziehen. Wann sie das tut, ist unklar.
Zur Beruhigung der Unternehmer hat ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck nun eine Reihe von Maßnahmen lanciert, unter anderem die Ausweitung der Rot-Weiß-Rot-Card:
- Rechtssicherheit: Jene rund 900 Asylwerber, die derzeit in Lehre sind, dürfen diese auch beenden. Selbst wenn es einen negativen Bescheid gibt, sollen sie in der Regel bleiben dürfen.
- Asylberechtigte: Derzeit gibt es 8.600 Asylberechtigte unter 25 Jahren, davon 1.300 Lehrstellensuchende. Diese sollen nun verstärkt vom AMS betreut und durch neue Initiativen in den Arbeitsmarkt gebracht werden. Die Regierung will damit einen „Systemwechsel“ herbeiführen.
- Rot-Weiß-Rot-Card: Die bisher schlecht angenommene Rot-Weiß-Rot-Card soll für Lehrlinge in Mangelbereichen aus Nicht-EU-Ländern geöffnet werden – aber nicht für Asylwerber. Das Alter soll künftig weniger stark gewichtet werden.
Sind die Asylwerber nun zum Nichtstun verdammt? „Nein, sie können ja gemeinnützige Arbeit leisten“, so ein Regierungssprecher. Darüber hinaus bleiben Asylwerbern noch zwei legale Jobs: Saisonnier und Prostituierte. Debora Knob
Androsch: "Dämlich und unmenschlich"
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zu der Entscheidung, dass Asylwerber keine Lehre mehr machen dürfen?
Hannes Androsch: Wir haben landauf, landab einen beträchtlichen Arbeitskräftemangel. Der wird wegen der geburtenschwachen Jahrgänge noch weiter zunehmen. Diese Abschreckungspolitik ist also unmenschlich und ökonomisch dämlich.
ÖSTERREICH: Aber ist es nicht vernünftiger, erst einmal die Asylberechtigten, die hier bleiben dürfen, in den Arbeitsmarkt zu bringen?
Androsch: Dann hätte die Regierung es tun müssen. Das ist ja nur ein Zeichen, dass seit zehn Jahren die Integrationspolitik versagt. Sie versagt in der Schule und sie versagt bei der Lehre. Es fällt ihnen nichts anderes ein, als brutal abzuschieben und Integration zu verhindern.
ÖSTERREICH: Wie gefällt Ihnen das deutsche Modell: Asylwerber machen drei Jahre Lehre und bleiben zwei weitere Jahre im Betrieb?
Androsch: Das ist eine sinnvolle Möglichkeit, es gibt sicher noch andere. Aber das, was wir in Österreich machen, ist sinnwidrig.
Strache-Vorstoß kam auf oe24.TV
„Wenn einer kein Bleiberecht hat, soll er keine Lehre beginnen dürfen“, erklärte FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Sonntag im oe24.TV-“Bürgerforum“. Danach ging alles ganz schnell: Noch am selben Tag bestätigte Regierungssprecher Launsky-Tieffenthal, dass es künftig keine Lehre mehr für Asylwerber geben werde. Der Streit um drohende Abschiebungen der in Ausbildung befindlichen ist damit aus türkis-blauer Sicht beendet.
„Wenn der Rechtsstaat feststellt, der hat kein Recht auf Asyl, dann muss er das Land verlassen. Da kann man ja keine Ausnahmen machen“, erklärte Strache im Talk mit ÖSTERREICH-Chef Fellner. Denn, so der FPÖ-Chef: „Es gibt genügend Jugendliche, die eine Lehre suchen in Österreich und wir haben genügend anerkannte Asylbewerber, die nicht arbeiten und keine Lehre haben. Also dort sollten wir ansetzen.“
Nachlegen sollte Strache am Montagabend im ORF-“Sommergespräch“ mit Nadja Bernhard und Hans Bürger – der Talk fand nach Redaktionsschluss statt.