Wieder neuer Höchststand an tatsächlich illegalen Inhalten.
Bei Stopline, der Meldestelle gegen sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger und nationalsozialistische Wiederbetätigung im Internet, sind 2021 insgesamt 43.496 Meldungen zu mutmaßlich illegalen Inhalten im Internet eingegangen. 8.156 Meldungen - also rund ein Fünftel - betrafen tatsächlich verbotenes Material. Das ist wieder ein neuer Rekord seit Gründung der Meldestelle vor 23 Jahren, hieß es bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien.
Zurückzuführen ist der rasante Anstieg auf den steigenden Internetkonsum in der Coronapandemie. Der bisherige Höchstwert im Jahr 2020 mit 26.992 Meldungen wurde im Vorjahr weit übertroffen. Bereits jetzt zeichne sich ab, "dass die Meldungszahlen auch heuer hoch bleiben", sagte Barbara Schloßbauer, Leiterin der von der ISPA (Internet Service Providers Austria) betriebenen Meldestelle. 2022 sind bisher 11.961 Meldungen bei Stopline eingangen, 1.790 waren tatsächlich illegal. "Man stolpert nicht über solche Inhalte, diese müssen explizit gesucht werden", betonte ISPA-Vorstand Peter Oskar Miller. Verbotene Beiträge können bei der Meldestelle einfach und anonym gemeldet werden. "Es gibt keine Rückverfolgbarkeit, jeder, der etwas Gefundenes meldet ist sicher", sagte Miller.
"Die Meldebereitschaft der Internetnutzer ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen", konstatierte Schloßbauer. Besonders hoch ist die Sensibilität für sexuelle Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger, dies traf auf knapp 80 Prozent der gesendeten Hinweise zu. 8.132 Inhalte betrafen tatsächlich sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Damit sind in Relation zu den gemeldeten Inhalten 24 Prozent der Fälle tatsächlich illegal. Bei 57 Prozent der Meldungen handelte es sich um legale Pornografie eindeutig volljähriger Personen. Bei 537 Beiträgen kamen die Analystinnen nach eingehender Prüfung zu dem Schluss, dass das Material für einen juristischen Laien zwar illegal wirken kann, aber nicht gegen den Paragraf 207a Strafgesetzbuch (Pornographische Darstellungen Minderjähriger) verstößt. Bei diesen Fällen handelt es sich um Content, wo Kinder in unpassenden Positionen abgebildet sind, sie werden oft von den Eltern hochgeladen und geteilt. "Diese Fotos gehören nicht ins Internet, auch wenn sie strafrechtlich nicht relevant sind", sagte Schloßbauer. In diesem Bereich gehört "mehr Bewusstsein geschaffen", forderte die Expertin.
Die Meldestelle ist auch für nationalsozialistische Inhalte zuständig. 4.385 derartige Beiträge wurden im Vorjahr von Internetnutzern gemeldet. 24 davon verstießen auch tatsächlich gegen das Verbots- oder Abzeichengesetz. Die von Stopline als illegal eingestuften Inhalte werden zur Strafverfolgung auch an die zuständigen Polizeibehörden - Bundeskriminalamt und Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst - weitergeleitet.
Im Bereich der sexuellen Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger "sind gerade in den letzten zwei Jahren viele neue Inhalte dazugekommen", sagte Schloßbauer. Außerdem verschicken Kinder und Jugendliche die Missbrauchs-Darstellungen, wie beispielsweise Penis-Bilder oder Fotos, in denen sie sich selbst in sexuellen Posen oder Handlungen befinden, sogar selbst.
Nur zwei Mitarbeiterinnen der Stopline bearbeiten die gemeldeten Darstellungen. "Die Arbeit ist belastend für die Analystinnen, die sich die Inhalte tagtäglich anschauen müssen", sagte Schloßbauer. "Es ist ein Höllenjob", meinte Miller. Unterstützt werden die beiden Frauen von technischen Tools. Diese reduzieren "den Arbeitsaufwand auf einen Bereich, der gerade noch zu schaffen ist", berichtete der ISPA-Vorstand.
Im Jahr 2021 wurde nur ein einziger gemeldeter Fall von sexueller Missbrauchsdarstellung Minderjähriger in Österreich gehostet. Dieser wurde - ebenso wie ein Fall aus dem heurigen Jahr - binnen einer Stunde aus dem Internet entfernt. Freiwillige Selbstregulierung ermöglicht die Kooperation zwischen Stopline und heimischen Internetanbietern, denn seit Jahren zählt Österreich zu einem der unattraktivsten Hosting-Standorte weltweit für derartige Inhalte, erläuterte Miller. "Heimische Internetanbieter nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr, indem sie das von Stopline als illegal eingestufte Material binnen kürzester Zeit entfernen, in der Regel innerhalb weniger Stunden. Löschen statt Sperren hat sich als erfolgreiches Modell im Kampf gegen illegale Inhalte bewährt", betonte der ISPA-Vorstand. Zugangssperren sind "oft nicht effektiv, Personen, die aktiv nach illegalen Inhalten suchen, können Sperrmaßnahmen umgehen", sagte Miller.
Illegales Material wird dort gehostet, wo die IT-Infrastruktur besonders leicht und sehr günstig zu bekommen ist, sagte Miller. Im Spitzenfeld lagen im Vorjahr die USA mit 26 Prozent und die Niederlande mit 13 Prozent. In den Niederlanden gab es Provider, die sich weigerten, Content auch nach Aufforderung offline zu nehmen. Mittlerweile habe sich aber einiges rechtlich verändert, sagte Miller. Erstmals konnte bei mehr als der Hälfte der gemeldeten illegalen Inhalte - 52 Prozent - das Herkunftsland nicht festgestellt werden. Das ist insbesondere auf die Nutzung von TOR-Netzwerken, also dem sogenannten Darkweb, zurückzuführen. "Es liegt außerhalb unserer technischen Möglichkeiten, diese Meldungen weiterzuverfolgen", sagte Miller. Der zweitgrößte Bereich der zutreffend eingestuften Meldungen betraf das World Wide Web. 20 illegale Inhalte fanden sich auf Social Media und einer auf YouTube. In diesen Fällen "funktioniert die Zusammenarbeit mit den Betreibern sehr gut, die Inhalte werden umgehend entfernt", sagte Schloßbauer.
Die internationale Zusammenarbeit spielt im Kampf gegen illegale Inhalte im Internet eine zentrale Rolle. So kooperiert Stopline mit Partner-Hotlines im internationalen Netzwerk INHOPE, das bereits aus 50 Meldestellen in 47 Ländern weltweit besteht. "Die internationale Zusammenarbeit bei der Entfernung illegaler Inhalte im Netz wird immer wichtiger, da der Großteil illegaler Inhalte im Ausland gehostet wird. Im Jahr 2021 konnte Stopline 46 Prozent aller im Ausland gehosteten Fälle von sexuellen Missbrauchsdarstellungen Minderjähriger Partner-Hotlines weiterleiten. 2020 waren es noch 60 Prozent gewesen, damals konnten aber mehr Inhalte Ursprungsländern zugeordnet werden. Im Vorjahr wurden "72 Prozent binnen drei Tagen gelöscht, innerhalb von sieben bis zehn Tagen sind fast 100 Prozent der Inhalte entfernt worden", sagte die Stopline-Projektleiterin.